Kapitel 3
Freundschaft, das ist eine Seele in zwei Körpern.
(Aristoteles)
(Aristoteles)
Bellas Sicht
Ich
umfasste meine Ferse und streckte das Bein vollkommen durch. Auf dem Standbein
erhob ich mich zum Relevé, ließ das andere Bein los und hielt es in einem
Winkel weit über neunzig Grad. Dazu hatte ich den freien Arm zu einer
triumphalen fünften Position erhoben.
Ich machte ein paar Entspannungsübungen für die Hände.
Graziös und fließend ging meine Hand in meinen Finger über, als würde ich eine unsichtbare Laute schlagen.
Ich nahm die zweite Position ein, das rechte Bein mit aufgesetzter Fußspitze. Ich übte nacheinander ein paar schnelle battements und frappés. Als nächstes legte ich mein rechtes Bein mit durchgedrücktem Knie auf die Ballettstange, und beugte mich langsam vor. So weit, bis ich ein starkes ziehen im Oberschenkel spürte. Ich nahm meine Hände über meinen Kopf und legte sie dann leicht auf meine Fußspitzen.
Als nächstes wechselte ich das Standbein und legte das linke Bein ausgestreckt mit dem Fuß auf die Stange und beugte mich zurück. Eine Zeitlang hielt ich die Pose durch, aber dann durchfuhr mich wieder ein Schmerz, der wie ein elektrischer Schlag ist, in der Wirbelsäule. Hastig nahm ich mein Bein runter.
Als nächstes erhob ich mich zur Attitude und schloss meine Augen. Die sanften Töne, von Debussy Clair de lune, schwangen durch den Raum. Ein kleines Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Ich tanzte durch den ganzen Raum, in meiner eigenen Welt des Balletts. Die Töne von Claire de lune begleiteten mich in jeder Pose und in jedem einzelnen Schritt. Es fühlte sich vollkommen an. Alle Probleme, Sorgen waren vergessen. Was jetzt zählte ist, dass ich tanzte, dass ich endlich lebe.
Ich erhob mich zur Arasbaque. Meine Haltung war angespannt. Mit einer fließenden Bewegung fuhren meine Hände nach vorne und meinen Kopf erhob ich nach vorne.
Die letzten Töne von Clair de Lune wurden gespielt und ich behielt meine Pose bei. Genoss den letzten Moment in einer Welt voller Frieden und Harmonie.
Die Musik hörte auf, es war Mucksmäuschen still im Raum.
Plötzlich applaudierte jemand, hinter mir. Ich erschrak, behielt aber die Haltung bei. Haltung bewahren, war eins der wichtigsten Elemente einer Ballerina.
Langsam und fließend ging ich auf die Normalposition zurück und drehte mich. Ich öffnete meine Augen und sah in das vertraute Gesicht von Esme.
„Danke, Esme“, entgegnete ich und machte mit einer geschickten Bewegung einen Knicks. Esme lächelte mich an.
„Nichts zu danken, Liebes. Du bist wirklich wundervoll, wie ein Engel. Immer wenn ich dir beim tanzen zusehe, bemerke ich wie viele Fortschritte du machst. Trainiere weiter so hart und du wirst dein Leben als fantastische Ballerina leben, Isabella. In dir steckt so viel Talent, Bella. Nutze es und du wirst deinen Traum erreichen können“, betonte sie und sah mich voller Stolz an.
„Ich werde mein bestes tun, Esme. Mein Traum ist es eine richtige Ballerina zu werden und das werde ich auch erreichen. Egal, was ich für Opfer bringen muss. Ich werde nicht aufgeben, schon alleine weil ihr mich so tatenkräftig unterstützt“, garantierte ich ihr.
„Das ist es was ich hören will, Liebes. Zu gerne würde ich dir weiter beim Trainieren zu schauen, aber Carlisle und ich haben etwas Wichtiges mit euch zu besprechen. Deswegen bitte ich dich jetzt dein Training zu beenden und hoch zu kommen, in unser Esszimmer“, informierte sie mich.
Ich nickte ihr entgegen. „Okay, ich ziehe mich noch schnell um, dann komme ich hoch.“
„Etwas Zeit kannst du dir lassen, es eilt nicht gar so sehr. Außerdem muss ich noch Rosalie und Emmett aufwecken, das könnte wie du weißt, ein bisschen dauern!“
„Eher Stunden“, murmelte ich. Esme lachte kurz auf, mit einem vielsagenden Blick verließ sie wieder den Ballettsaal.
Ich schnappte mir meine restlichen Sachen und ging hoch in mein Zimmer. Schnell zog ich mich um und ging dann runter ins Esszimmer. Meine Haare band ich unterwegs zu einem Pferdeschwanz zusammen.
Jasper, Esme, und Carlisle waren schon da. Nur Rosalie und Emmett fehlten. Was mich wirklich nicht wunderte.
Die Beiden waren seit neuestem ein Paar. Erst seit 2 Wochen, um genau zu sein. Sie waren schon seit einer halbe Ewigkeit ineinander verliebt, aber Rosalie hatte Emmett flehen und betteln lassen und erst neulich nachgegeben.
Es war ein ewiges hin und her. Emmett war zu aufdringlich und verstellte sich zu sehr. Rosalie war zu stur und sah nicht ein, was sie an Emmett hat. Erst als sie ihn neulich 2 Wochen lang nicht gesehen hat, wurde ihr klar wie innig ihre Gefühle waren, wie wichtig er für sie war.
So gab sie seinem Betteln nach und die beiden waren nun ein glückliches Paar. Nur LEIDER hingen sie jetzt jede einzelne Sekunde beieinander. Es war einfach nervig, wenn man mal was von ihnen wollte, bekam man keine vernünftige Aussage.
Aber das ist wohl so, wenn man frisch verliebt und glücklich ist. Man schwebt auf Wolke 7 und lebt isoliert in der Welt der Liebenden. Nachvollziehen konnte ich dieses Gefühl nicht, ich war noch nie verliebt gewesen und wollte mich gar nicht verlieben. Es würde mich nur an meinem Traum hindern. Ein Freund würde mich zu sehr ablenken und ich könnte mich nicht mehr aufs Tanzen konzentrieren.
Deswegen machte ich mir nicht viel aus Jungs. Ohne diese Wesen bin ich einfach besser dran.
Ich setze mich neben Jasper und unterhielt mich mit ihm über die Aufführung in 2 Wochen. Wir würden einen kleinen Eingangstanz am ersten Schultag vorführen, nur mussten wir beide noch die Choreografie einstudieren. Bis jetzt hatte Jasper aber kaum Zeit und Lust gehabt, mit mir zu üben.
Klar, er mochte das Tanzen, aber für ihn war es nicht das ganze Leben. Deswegen trainierte er weniger, als ich. Seine Ansichten verstand ich. Für ihn war Ballett nur ein Hobby und nicht sein Leben. Er wollte lieber Leuten helfen, als Psychotherapeut. Darin lag auch seine Stärke, er konnte gut die Gefühle von anderen Einschätzen und sie verbessern.
„Wann kommen die beiden endlich“, äußerte sich Esme, als eine halbe Stunde vergangen ist.
Wie auf Kommando kamen Rose und Emmett in das Esszimmer, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Sie begrüßten uns mit einem Kuss auf die Wange und setzen sich auf ihre Plätze.
Carlisle räusperte sich.
„Es ist schön, dass ihr uns mit eurer Anwesenheit auch mal beehrt. Das nächste Mal bitte ein bisschen schneller“, äußerte er sich, mit einem Lächeln auf den Lippen. Er war selten streng und wenn dann nicht wegen Kleinigkeiten. Trotzdem war er eine Person, die wir respektierten. Man könnte ihn als Oberhaupt der Familie bezeichnen. Wenn er etwas entschied, dann hielt sich jeder dran.
„Geht klar, Dad“, entgegnete Emmett und grinste seine Freundin an. Diese nickte nur zaghaft.
„Weswegen hast du uns hier her bestellt?“, fragte Jasper neugierige nach.
„Dazu wollte ich gerade kommen, Jasper. Ich habe einen Anruf von Frau Cross bekommen. Eine Erzieherin des Norderstedts Heim, wie ihr vielleicht wisst. Sie teilte mir mit, dass das Heim wegen Erzieher- und Geldmangel geschlossen werden müsse. Außerdem haben sie eine Anklage am Hals, wegen Vernachlässigung der Kinder“, erklärte er sachlich ohne jegliche Emotion.
„Was? Was passiert dann mit Alice?“, appellierte Jasper sofort aufgebracht. Innerlich seufzte ich. Er hing echt an diesem Mädchen. Vergaß dabei leider, dass sie auch einen Bruder hat, dem es genauso schlecht ging wie ihr. Das hatte ich schon im Auto gemerkt, als er und Emmett nur über Alice redeten.
„Genau das ist der springende Punkt, den wir mit euch besprechen wollten. Die liebe Frau Cross hat uns gefragt, ob wir nicht die Pflegeeltern von Alice und Edward werden könnten. Sie teilte uns mit, dass die beiden schon knapp 10 Jahre in diesem Heim wohnen. Nie wollte sich eine Pflegefamilie finden, die die beide aufnehmen könnte. Trennen wollte sie die Geschwister nicht, weil sie vieles in ihrer Vergangenheit durchmachen mussten und nur den Halt des anderen Geschwisterteils hatten. Wenn jetzt das Heim geschlossen wird, müssen sie getrennt leben.
Alice, ist mit ihren 17 Jahren noch Minderjährig und müsste in einem anderen Heim aufgenommen werden. Nur bei Edward ist das Problem, dass er bereits sein 18. Lebensjahr erreicht hat, es wird schwer werden für ihn noch einen Platz in einem Kinderheim zu bekommen. Rechtlich gilt er als Heranwachsender. Frau Cross hat unter diesen Umständen Bedenken, dass sie diese gravierende Veränderung verarbeiten können. Beide brauchen einander und ihre verletzte Psyche würde nur durch den Verlust des anderen noch mehr geschadet werden.
Deswegen versucht Sie verzweifelt eine Pflegefamilie für die beiden zu finden. Ich und Esme, teilen ihre Bedenken und würde gerne ihrer Bitte nachgehen. Wir wollten aber das ganze erst einmal mit euch besprechen, ehe wir eine endgültige Entscheidung treffen. Es geht euch genauso viel an, wie uns. Besonders dich, Emmett“, schilderte Carlisle uns die Lage. Ich schluckte tonlos.
Die Nachricht schockierte mich. Ich konnte nicht fassen, dass ein Kinderheim in so einem Zustand ist. Mir war von vornherein klar, dass etwas nicht stimmte. Aber dass sie eine Anklage wegen Vernachlässigung der Kinder am Hals hatten, war schon ziemlich gravierend. So was wird nicht wegen Kleinigkeiten festgestellt.
„Hmm… Also ich hätte nichts dagegen. Alice, meine kleine süße Elfe, ist so süß und so rein. Sie kann man nur knuddeln. Ich versichere euch, sie wird es bei uns schön haben! Nur seid ihr euch sicher, dass ihr Edward auch aufnehmen wollt? Er hat ein verdammt lautes Mundwerk, so arschlochmäßig. Teilweise war er okay, dass gebe ich zu, aber er wird euch, uns, viele Schwierigkeiten bereiten“, äußerte Emmett seine Meinung. Ich wand meinen Kopf in seine Richtung und starrte ihn Fassungslos an.
Wie konnte er sich so über einen Jungen äußern, den er nur ein paar Minuten kannte?
Ich hatte Mitleid mit Edward. Schmerzlich musste ICH erfahren, was es heißt auf der Welt nichts wert zu sein. Das nagt schon an einem. Wenn ich mir so vorstelle, dass Edward 10 Jahre im Heim leben musste, verstehe ich sein in sich gekehrtes Verhalten ein bisschen.
„Emmett ich bitte dich, lass diese abwertenden Wörter in diesem Sachverhalt… Du weißt nicht was der arme Junge durchgemacht hat, also verurteile ihn nicht. Bestimmt ist er ein lieber Junge, wenn du ihn erst mal richtig kennenlernst“, warf Esme ein und sah ihren Sohn streng an.
„Mum, ich sage es ja nicht unbegründet. Ich kenne die Typen, die wie er sind. Du hättest ihn mal erleben müssen. Er war vom ersten Moment an, von uns angewidert. Andauernd warf er kalte arrogante Blicke zu uns und beleidigte Bella. Erst als sie was dazu gesagt hat, hörte er damit auf und spielte den braven lieben Jungen“, äffte Emmett herum. Er grinste in meine Richtung.
Ich starrte ihn emotionslos an.
„Naja, Emmett hat schon irgendwie Recht“, gestand Jasper.
Das war das, was das Fass zum überlaufen brachte. Das Emmett manchmal zu schnell über Menschen urteilte, wusste ich. Aber das Jasper diese Aussage noch stütze, weil er geblendet war von Alice Traurigkeit, war absolut unfair.
Ich stand mit einem Ruck auf und zischte die Beide an: „Jetzt hört auf, alle beide!“
„Ihr könnt nicht über ihn urteilen, weil ihr beide ihn nicht kennt. Klar, war der erste Eindruck, denn er gemacht hat, nicht gerade positiv, aber über Jahre lehrte uns Esme, dass wir einem Menschen die Chance geben müssen, um sich entfalten zu können. Verfolgt ihr diesen Rat? Dadurch, dass ihr schlecht über ihn redet, hinter seinen Rücken? Nein. Ihr seid kein Stück besser als er. Edwards Verhalten hat einen Grund, dem ihr euch wahrscheinlich nicht im Klaren seid, weil ihr beide nur Alice' Schmerz seht“, sprudelte es aus mir heraus.
„Welchen Grund denn? Ich meine, er machte keinen traurigen Eindruck…“, hackte Emmett milde überrascht nach.
„Er lebt in einem Heim, seit 10 Jahren, Emmett. Hat wahrscheinlich keine Eltern mehr. ER alleine muss sich um seine kleine Schwester kümmern, obwohl er selbst noch ein Kind war und ist. Keiner von euch beiden hat seinen schmerzerfüllten Blick gesehen, als er uns gestanden hat, dass er in einem Heim lebt. Ihr beide wart zu sehr auf Alice fixiert. Er leidet genauso wie seine Schwester, nur das er immer den Starke spielen MUSS, vor seiner Schwester. Bestimmt hat er niemanden, an den er sich lehnen kann. Und das ist traurig. Seine Schwester ist mit sich selbst beschäftigt, er will ihr nicht auch noch zur Lasten fallen und deswegen spielt er den Starken.
Wenn man es so betrachtet, verstehe ich seine Persönlichkeitsstörung. Edward will seine Schwester beschützen und vergisst dabei aber sein eigenes Leben… Aber nein, diese Aspekte vergesst ihr ja, Emmett Cullen und Jasper Hale. Lieber sprecht ihr schlecht über ihn, obwohl ihr keine Ahnung von seiner Vergangenheit habt, obwohl ihr seine Lebenslage nicht kennt“, meine Antwort trotze vor Sarkasmus. Beide angesprochen senkten den Kopf.
„Edward… Er hat sich anders verhalten, als ich mit ihm alleine war. Ich würde fast behaupten, dass er eine ganz andere Person war. Deswegen bin ich auch felsenfest davon überzeugt, dass er eine freundliche liebenswerte Person ist. Wahrscheinlich reagiert er auf Abwehr, gegenüber Fremden, weil er schlechte Erfahrungen gemacht hat. Aber das sind alles nur Vermutungen, die ich aufstelle. Ich kann schlecht sagen, ob es wahr ist oder nicht… Nur Edward kann es uns beweisen, deswegen gebt ihm eine Chance, bitte. Lernt ihn erst einmal kennen Emmett, Jasper. Glaubt mir, ihr werdet ihn mögen“, wand ich mich wieder den beiden zu.
„Ist okay Bella. Wir haben wirklich schlecht gehandelt. Es war falsch so schlecht über ihn zu reden. Entschuldigung. Ich verspreche dir, wir beide geben ihm eine Chance. Stimmst Jazzi?“ Emmett schlug dem Angesprochenen auf die Schulter.
„Ja, wir geben ihm eine Chance. Aber deswegen musst du mich nicht schlagen“, äußerte er sich. Emmett lachte auf bei seiner Aussage.
„Hmm… Bella an deinen Aussagen kann was dran sein. Wir werden sehen, was auf uns zu kommt. Esme und ich würde das alles gerne mit Edward und Alice klären, bevor was endgültig festgelegt wird. Sie haben das Recht alleine zu entscheiden, wo sie hin wollen. Deswegen schlage ich vor, dass wir heute nach Norderstedt fahren und es persönlich klären. Hat irgendjemand einen Einwand, wenn wir gleich fahren?“, fragte er nach.
Emmett hob seine Hand. Carlisle fing leise an zu stöhnen.
„Nimm deine Hand runter Sohn. Wir halten unterwegs irgendwo an und Essen Mittag. DU brauchst dir keine Sorgen zu machen!“
„Das wollte ich hören, Vater“, Emmett strich sich über den Bauch. Wir alle fingen an zu lachen.
Außer Rose, sie grummelte sich irgendwas zusammen.
Typisch Emmett, er brauchte was zu essen und Rosalie zum leben. Zu gerne würde ich wissen wie die Entscheidung ausfallen würde, wenn er sich zwischen Rosalie und dem Essen entscheiden müsste.
Eine Stunde später standen wir alle in der Garage. Emmett fuhr mit Rosalie in seinem neuen blauen Mercedes Cabriolet. Natürlich mit offenem Dach. Heute schien ja ausnahmsweise mal die Sonne. Was ein Wunder war. Es war zwar Sommer, aber ein total verregneter. Die Landwirte murrten schon rum, weil ihre ganze Ernte ruiniert war.
Wir andere fuhren mit Carlisles silbernem Mercedes. Ich setze mich wieder mit Jasper nach hinten. Es war mein Stammplatz mit Jasper.
Die Fahrt verlief still. Nur das Summen des Radios, war leise zu hören. Meine Gedanken wanderten zu Edward. Er war die letzten 2 Wochen ständig in meinen Gedanken gewesen.
Mich faszinierte seine Art. Er war ein wirklich anziehender Mann. Als ich ihm das Geschenk gemacht hatte, die CD, kam es mir so vor, als ob ich mit dem wahren Edward sprechen würde.
Flashback
Während ich meine Choreografie auf der Bühne von Norderstedt tanzte und in Edwards Augen sah, viel mir die Idee mit der CD ein. Als der Klavierspieler spielte, merkte ich, dass Edward klassische Musik liebte. Er lebte sie mit, spielte sogar mit seinen Finger mit. Das war eine Gemeinsamkeit, die wir beide hatten. Anscheinend spielte er klassische Musik am Klavier und ich tanzte sie. Als ich von der Bühne ging, rannte ich fast in den kleinen Umkleideraum und durchsuchte meine Tasche. Ich fand den gesuchten Gegenstand und hielt meine CD, die ich immer dabei hatte, falls was mit der Musik schief lief, hoch.
Dort waren ausschließlich klassische Lieder drauf. Ich schnappte mir meine Tasche und ging aus dem Raum heraus. Umziehen wollte ich mich nicht, ich hatte einen anderen Plan.
Hinter der Bühne warteten bereits die anderen auf uns. Alle gratulierten gerade Jasper, zu seinem gelungenen Auftritt. Außer Edward, er stand etwas abseits. Ich neckte ihn kurz mit einem Kommentar, den er erwiderte. Die anderen kamen zu mir und sagten, wie toll sie den Auftritt fanden. Besonders Alice war hellauf begeistert. Sie strahlte richtig.
Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Edward. Mit tänzerischen Schritten ging ich auf ihn zu und teilte ihm mit, dass ich ihm was zeigen wollte.
Mit etwas Murren ließ er sich nach draußen ziehen. Trotzdem verkniff er sich jeglichen Kommentar. Wahrscheinlich wusste er, dass er sowieso keine Chance hatte.
Als ich die Kälte der Nacht auf mir spürte, überzog sich mein Körper mit einer Gänsehaut. Aber es lag nicht nur daran, sondern Edwards Gesicht sah im Mondscheinlicht einfach unbeschreiblich aus.
Seine grünen Augen glänzten voller Geheimnisse, die ich aus ihm heraus kitzeln wollte.
Ich ließ Edwards Hand los und begann zu tanzen. Keiner bestimmten Choreografie nach, einfach nach Gefühl. Genau die Gefühle, die Edward in mir auslöste. Faszination, Vertrauen, Mitleid, Freundschaft und Verbundenheit.
Ich stoppte, als ich das Läuten der Kirchglocken hörte. Mit einen Lächeln gratulierte ich ihm und sah geradewegs in sein erschrockenes Gesicht. Nach einer kurzen Neckerei, gab ich ihm sein Geschenk.
Er sah mich voller Unglauben an. Trotzdem war dahinter auch ein anderes Gefühl, was mein Herz schneller schlagen ließ.
Seine Augen glühten voller Leben. Das Grün war so intensiv, wie noch nie zuvor. Edward war von einem auf den anderen Moment ganz anders, viel lockerer, viel sanfter.
Diesen Edward schloss ich sofort ins Herz. Ich wusste, dass es der wahre Edward war. Ein junger Mann, der sich in diesem Moment nicht hinter einer harten Mauer versteckte.
Gerade als er mir ein paar Schritte entgegen kam, hörten wir Stimmen nach uns rufen.
Sie klangen ganz nach Emmett und Esme. Ich seufzte leise. Edward sah mich grinsend an.
„Komm meine Ballerina, die anderen warten schon“, sagte er und hielt mir seine Hand hin.
Dieses Mal, war er es, der mich zu den anderen zog. Wir gingen gemeinsam zum Auto und fuhren zum Norderstedter Kinderheim. Edward beteuerte zwar, dass er und Alice auch alleine hinlaufen könnten, aber Esme duldete keine Widerrede.
Es war ganz ihre Art. Sie konnte „Kinder“ einfach nicht schutzlos durch die Nacht laufen lassen.
Wir fuhren etwa 10 Minuten, dann hielten wir bei einem großen Haus an. Es sah, soweit wie ich erkenne konnte, alt aus. Der Putz bröckelte an ein paar Stellen schon ab.
Eine Frau kam aus der Tür zu uns gelaufen. Es war Frau Cross, wie Esme uns mitteilte.
Gemeinsam stiegen wir aus und verabschiedeten uns von Alice und Edward.
Alice drückte mich heftig, dabei schluchzte sie kurz auf. Mein Freund und Tanzpartner, Jasper, nahm sie in den Arm und tröstete sie.
Edward, der die ganze Szene beobachtete, schloss schmerzlich die Augen. Ich nahm seine Hände in die Hand. Sie waren eiskalt, kälter als meine und das muss schon was heißen.
„Sie wird wieder leiden, wenn ihr weg seid“, flüsterte er mit schmerzverzerrter Stimme.
„Wir werden wieder kommen. Das verspreche ich dir, Edward“, schwor ich ihm und hielt ihm meinen kleinen Finger hin. Er sah mich kurz erstaunt an, seine Augen blitzten einen Moment auf.
„Okay, wir schwören, dass wir uns wieder sehen“, schwor Edward auch und hackte seinen kleinen Finger in meinen ein. Er fing an zu lachen, es war ein schönes echtes Lachen.
„Wie im Kindergarten.“ Er schüttelte den Kopf. Ich grinste ihn an und nickte.
„Kommt wir müssen langsam rein. Sonst gibt es Ärger mit Frau Meier. Sie war schon nicht begeistert, als ich ihr mitteilte, dass ihr den ganzen Abend weg bleibt“, erwähnte Frau Cross.
Ich nickte und legte meine Arme um Edward. Er erwiderte meine Umarmung. Als Frau Cross uns wieder hetzte, lösten wir uns voneinander. Wir sahen uns noch einmal in die Augen.
„Ich komme wirklich, versprochen“, flüsterte ich. Edward nickte, nahm seine Schwester in die Arme und ging ins Gebäude.
Er drehte sich an der Tür noch mal um und zwinkerte mir zu. Ich verdrehte die Augen. Die anderen fingen an zu Lachen.
Als die beiden nicht mehr zu sehen waren, huschten wir wieder ins Auto. Es war ziemlich kalt, was daran lag, dass ich immer noch mein Kleid an hatte.
Mit einem letzten Blick zum Gebäude, fuhren wir los.
Flashback Ende
Ich spürte, dass jemand mich rüttelte. Erschrocken öffnete ich meine Augen und sah geradewegs das Norderstedter Kinderheim an.
Verwirrt blickte ich mich um, dann wurde mir klar, dass ich eingeschlafen sein musste. Jasper lachte kurz auf. Er öffnete seine Tür und ging zu den anderen, die bereits draußen waren.
Ich tat es ihm gleich und ging auch zu den anderen. Unterwegs streckte ich mich und gähnte herzhaft.
Emmett grinste mich an. „ Na Schlafmütze, auch mal ausgeschlafen“, neckte er mich.
Ich nickte, erwiderter sonst nicht darauf. Das kleine Schläfchen stimmte mich Müde.
„Dad, auf was warten wir hier?“, fragte Emmett nach.
„Wir warten hier auf Alice und Edward. Eine Erzieherin ist bereits raus gekommen und hat uns mitgeteilte, dass sie die Beiden holen wird“, äußerte er sich darauf.
„Ah, da ist Edward schon“, bemerkte Esme.
Langsam drehte ich mich um und sah Edward. Er ging mit gesenktem Blick durch die Tür, seine Haltung war schlichtweg genervt.
Sein Anblick raubte mir, wie beim letzten Mal auch, den Atmen. Heute war er mit einer Jogginghose und einem weißen engen T-Shirt bekleidet. Das enge T-Shirt zeichnete seine Bauchmuskeln ab. Es waren nicht zu viel und nicht zu wenig. Seine Haaren waren mehr verwuschelt und wirkten leicht rötlich im Licht.
Ich schüttelte meinen Kopf, um wieder auf einen ordentlichen Gedanken zu kommen. Denn langsam fühlte ich mich, wie eine 14 Jährige, die gerade ihren Traumtypen entdeckt hat. Aber hey, Edward war das perfekte männliche Model.
Edward setze seinen Weg fort und hob seinen Kopf in unsere Richtung.
„Fuck, was macht ihr hier?“, zischte er erschrocken auf, als er uns entdeckte.
Ein Grinsen schlich sich auf mein Gesicht. Komischerweise hatte ich gerade dieses Wort vermisst, obwohl ich sonst nichts mit vulgärer Aufmüpfigkeit zu tun haben will. Es gibt einen besseren Ausdruck, die deutsche Sprache ermöglicht uns eine weite Ausdrucksmöglichkeit. Aber dieses Fuck, verband ich langsam mit Edward Masen. Er sagte es häufig und langsam fing ich an, es auch niedlich zu finden. Schwer zu glauben, aber war.
„Ach, Masen ich habe dich auch vermisst. Du brauchst nicht so erschrocken sein, dass wir hier sind. Wir wollen dir doch nur bei deinem schrecklichen Ausdruck helfen, damit du in Zukunft deinen Mitmenschen deine wahren Gefühle zeigen kannst. Mit diesem „Fuck“, wolltest du doch nur ausdrücken, dass es schön ist, dass wir hier sind“, neckte ich ihn leicht. Edward, der es sofort verstanden hat, fing breit an zu Grinsen. Es war mir immer noch ein Rätseln, dass wir uns so gut verstanden. Wir waren beide auf derselben Wellenlinie und verstanden die Ironie des
anderen. Ja, wir waren echt auf derselben Wellenlinie.
„Isabella, was reimst du dir wieder mal zusammen. Als ob ich, fucking Edward Masen, jemanden wie euch vermissen würde. Außerdem sprichst du das Wort „Fuck“ falsch aus, meine Liebe. Da gehört mehr Gefühl rein“, entgegnete er mit einem leichten Grinsen. Er kam auf uns zu gelaufen. Vor mir blieb er stehen. Sein Duft betörte mich.
„Hmm, weißt du Edward, obwohl ich wahrheitsgemäß sagen könnte ich hasse deine gespielte Arrogante Art, habe ich sie trotzdem vermisst. Selbst dein heißt geliebtes Wort ‚Fuck‘. Also kannst du jetzt ruhig auch zugeben, dass du mich vermisst hast und mich gefälligst umarmen!“, zischte ich ihn gespielt an und pieckste ihn leicht in seinen Bauch. Ich traf nur auf einen harten Muskel.
Edward fing an zu lachen und bückte sich leicht runter, um mich zu umarmen. Ich legte meine Hände an seine Seiten. Plötzlich legte er seine Hände an meine Oberschenkel und hob mich hoch. Dabei schwankten wir gefährlich hin und her.
„Edward lass mich runter“, schrie ich ihm fast ins Ohr. Ich klammerte mich an ihn. Als wir weiter schwankten.
„Oh, da ist wohl jemand ein Angsthase, oder eher ein Angstbambie!“ Er fing an zu lachen.
Dadurch wippte ich leicht und klammerte mich noch mehr an ihn. „Ehrlich Bella, ich habe dich fest im Griff, wortwörtlich. Und außerdem müsstest du doch so was gewohnt sein, du bist doch Ballerina. Jasper hebt dich bei verschiedenen Figuren auch hoch. Dort bist du nicht so ängstlich“, meinte Edward und schaute mich an. Ich erwiderte seinen Blick und versank in seinen wunderschönen grünen Augen.
Seine Augen waren wunderschön, sie zeigten so viele Emotionen. Dieses Grün, sanft und friedlich, aber trotzdem mit einem eigenartigen Glanz. Ich könnte ihn die ganze Zeit so ansehe, er war sich seiner Schönheit gar nicht bewusst. Aber dafür ich, er sah einfach atemberaubend aus und sein wahres Ich, dass er selten zeigte, war bestimmt genauso.
Plötzlich räusperte sich jemand und wir fuhren auseinander. Fast hätte ich traurig gewimmert, als Edward seinen Blick von mir abwendete und mich auf dem Boden absetzte. Er schaute zu Carlisle, der der Verursacher des Geräusches ist.
Edward wirkte im ersten Moment verwirrt. Dann kam er wieder zur Fassung und ging entschlossen zu Carlisle.
„Entschuldigung, für das gerade eben. Es war ziemlich unhöflich von mir. Ich bin Edward Masen, wie Sie bestimmt bereits wissen. Wer sind sie?“, stellte er sich vor und hielt Carlisle seine Hand hin.
„Das ist doch kein Problem. Ihr scheint euch ja ziemlich gut zu verstehen. Es ist nur ziemlich ungewöhnlich, sonst versteht sich Bella nicht so gut mit fast „fremden“ Jungs. Ich bin Carlisle Cullen. Der Ehemann von meiner bezaubernden Esme, die du bereits kennengelernt hast“, entgegnete Carlisle und schüttelte Edward die Hand. Beide grinsten sich verräterisch an.
Ich konnte nur mit den Augen rollen, die beiden scheinen sich auf eine eigenartige Weise zu verstehen.
Edward ging die Runde weiter und begrüßte alle. Esme begrüßte er mich einem Lächeln und einem Händedruck. Jasper und Emmett mit einem Handschlag. Die 3 verstanden sich besser als beim letzten Mal. Was wahrscheinlich nur an meiner Ansage lag.
Bei Rosalie verlief die Begrüßung etwas verkrampft. Was ich bereits vorhergesehen hatte. Rose war wie immer, sehr elegant und pompös angezogen. Genau, das was Edward nicht mochte. Er sah das, was er niemals haben konnte.
Klar, Edward war wieder so oberflächlich, das was wieder durchaus falsch war. Aber Rosalie müsste den Anstand haben, dass man sich für ein Treffen in einem Kinderheim nicht so auftakeln musste, schon gar keine Markenklamotten. So gern ich sie auch habe, es war trotzdem einfach unhöflich und teils respektlos gegenüber Edward und den anderen Heimkinder.
Edward gab ihr kurz die Hand, sah sie aber total arrogant und abgeneigt an. Ich konnte förmlich erkennen, dass er Vorurteile ihr gegenüber hegte. Rosalie reagierte darauf und gaffte ihn, als arrogantes Arschloch, an.
Carlisle reagierte schnell, ehe die Situation völlig aus der Bahn lief. Er belehrte die Beiden, dass sie sich anständig benehmen sollten. Beide flüsterten nur eine Entschuldigung. Blickten sich trotzdem angriffslustig an.
„Ähm, vielleicht sollten wir jetzt reingehen. Deine Schwester, Alice, ist immer noch nicht rausgekommen. Vielleicht hat sie ja noch nicht gehört, dass wir da sind. Es wäre unfreundlich es ihr vor zu enthalten“, äußerte ich mich, um die Stille zu unterdrücken.
Alle waren damit einverstanden. Besonders Jasper, er nickte heftig und zog mich fast ins Haus.
Er war echt ein total verknallter Liebesbetrunkener. Schon seit 4 Wochen schwärmte er von ihr. Selbst beim Training war er so unkonzentriert. Was mich manchmal ziemlich störte.
Edward führte uns rein und zeigte uns die einzelnen Räume. Vor einer Tür, in einem dunklen Gang, blieben wir stehen. Auf der Tür standen die Namen von Edward und Alice. Er klopfte an die Tür, als es keine Antwort gab, öffnete er die Tür. Ich erschrak heftig und versteinerte dann augenblicklich.
„Fuck, was soll der Scheiß?!“, brüllte Edward und stürmte ins Zimmer rein.
Ich stand wie angewurzelt immer noch am selben Fleck und musste das Bild, was mir grade geboten wurde, erstmal aufnehmen. Alice lag dort auf einem Bett und ein Junge hatte sie in seiner Gewalt. Er hatte seine Hände auf Alice Brust liegen, dabei küsste er sie. Gegen ihren Willen. Ich sah die Tränen die über Alice Wangen liefen und das sie fest die Augen zusammengekniffen hatte. Edward zog den Jungen mit Kraft von ihr weg und schleuderte ihn an die Wand. Ein Nachtschränkchen kippte um. Er nahm ihn ins Visier und schlug ihn noch mal heftig.
Gerade als der Junge zurück schlagen wollte, stürmten Jasper und Emmett ins Zimmer. Jasper hielt Edward zurück und Emmett nahm den anderen Jungen in den Schwitzkasten.
Carlisle, Rosalie und ich gingen auch ins Zimmer, zu der schluchzenden Alice und Esme holte Hilfe. Als Alice ihre Augen leicht öffnete, schrie sie kurz auf und als sie mich erkannte, klammerte sie sich an mich. Sie fing bitterlich an zu heulen. Ich strich über ihren Rücken und bot ihr Schutz.
Mein Blick war auf Edward geheftet, der immer noch den fremden Jungen gefährlich anfunkelte.
Plötzlich ertönte eine aufgeregte fremde Stimme. Eine Erzieherin kam eifrig ins Zimmer herein, ging an mir vorbei und positionierte sich vor den Jungs.
„Was ist hier schon wieder los? Kann ich euch nicht mal 5 Minuten alleine lassen, ohne das ihr was kaputt macht?“, meckerte sie los. Sie stemmte ihre Hände an ihre Seiten.
Die Jungen schienen sie im ersten Moment gar nicht zu beachten.
„Ach, immer dasselbe mit euch. Ihr könnt euch nur wie total hirnlose pubertierende Teenager benehmen. Besonders du Edward, müsstest doch endlich Erwachsen werden“, tadelte sie weiter.
„Ähm Maám, aber Edward hat den Kerl nur von seiner Schwester los gerissen. Er wollte Alice, Edwards Schwester, körperlich anfassen, gegen ihren Willen“, versuchte Jasper die Lage zu schildern. Vergebens.
„Ach…für die Kinderfaxen habe ich jetzt keine Zeit. Jeder beschuldigt jeden und am Ende hat doch niemand Schuld. Wenn ich wieder diesen Raum betrete, ist alles wieder ganz. Und Edward, du bekommst für dein Fehlvergehen, eine Woche Ausgehverbot!“, entgegnete sie entgegen den Sachverhalten.
Ich schüttelte verwirrt meinen Kopf. Das kann nicht wahr sein… , dass sie so reagiert.
„Fuck, ich habe ihn doch nur von meiner Schwester weggerissen, weil JAMES sie wieder begrabscht hat? Aber nein, dass darf man ihn diesem beschissenen Heim nicht. Ich soll ja mit ansehen wie er meine Schwester vergewaltigt… Dabei lächeln, ja alles ist super. IMMER, wirklich immer werde ich bestraft“, brüllte Edward. Ich zuckte heftig zusammen.
„Nicht in so einem Ton, Masen“, betonte sie streng.
Plötzlich hörte ich das Weinen, wie bei einem Baby.
„Nun jetzt benehmt euch. Ihr habt Gäste. James geh du auf dein Zimmer und lass Edward in Ruhe. Sonst bekommst du auch noch Ausgehverbot“, bestimmte sie und ging dann wieder.
Unterwegs begrüßte sie mich herzlich.
Der Angesprochene nickte und grinste gemein. Dafür wurde er von Emmett weg geschubst. James, wie der Junge glaub ich hieß, stolzierte aus dem Raum.
Als er außer Reichweite war, atmete ich hörbar die Luft aus.
Jasper nahm mir die schluchzende Alice aus dem Arm. Emmett gesellte sich zu uns und strich ihr beruhigen über den Rücken. Nur Edward blieb, immer noch bebend, an seinem Fleck stehen.
„Edward…Mein Junge“, flüsterte Esme ihm zu. Sie wollte zu ihm gehen, doch dazu kam es nie.
Er drehte sich zu uns um. Seine Augen waren Schwarz vor Wut.
„Verschwindet... Verschwindet. VERSCHWINDET ALLE! RAUS AUS DIESEM ZIMMER. IHR ELENDEN VERRÄTER“, grölte er uns entgegen. Er nahm ein Buch ihn die Hand und scheuerte es gegen die Wand.
„Wir sollten Alice hier raus schaffen. Edward hat einen Wutanfall. Er könnte gefährlich werde. Deswegen sollten wir seiner Bitte nachgehen“, flüsterte Carlisle uns leise zu. Ich sah an seinem Gesichtsausdruck, dass die Lage ernst war.
Jasper hob Alice hoch. Sie klammert sich sofort an seine Brust. Mit einem schweren Blick zu Edward, ging ich als letzte aus dem Raum und schloss die Tür.
Mein Herz fühlte sich schwer an. Als ob, dass was ich tat, vollkommen falsch ist. Wir gingen in die Küche, die um die Uhrzeit verlassen war. Das Heim war erschreckend still. Nur Alice schluchzen nahm ich war.
Jasper setze sich mit Alice auf einen Stuhl und strich ihr beruhigend über den Rücken. Carlisle und Esme kümmerten sich auch um Alice. Was etwas zu helfen schien, sie beruhigte sich wenigstens etwas.
Rosalie setze sich auch hin und sah mit einem traurigen Blick zu Alice. Emmett ging wild hin und her und raufte sich die Haare. Ich dagegen, stand an der Tür und dachte an Edward.
ER war jetzt alleine. Musste mit seinen Gefühlen wieder alleine klar kommen. Gerade als ich einen Entschluss gefasst habe, dass ich wieder zu ihm gehe, kam eine nervöse Frau Cross rein.
„Oh. Guten Tag, ich hätte nicht gedacht das ihr so schnell kommt“, sagte sie und ihren Blick schweifte durch den Raum. Ihr Blick blieb an Alice hängen.
„WAS ist passiert? War es schon wieder James?“, fragte sie aufgebracht. Ich schloss schmerzerfüllt meine Augen.
Schon wieder…. Das bedeutet, dass das wohl kein einmaliges Erlebnis gewesen sein muss… Der Gedanke trieb mir Übelkeit in den Magen…
„Ja… Der Junge namens James, hat sie angefasst. Sie beruhigt sich nur schwer. Wir konnten wenigstens das schlimmste verhindern“, antwortete Carlisle sachlich.
„Es tut mir leid, dass sie das mit ansehen mussten. Verstehen sie jetzt, warum die beiden lieber in einer Pflegefamilie leben sollten. Dieses Kinderheim ist ein schrecklicher Ort für Beide. Sie wurden von niemandem akzeptiert“, erläuterte sie mit einer belegten Stimme.
„Diese Erkenntnis, von ihnen, kommt ja ziemlich zeitig“, erwiderte ich voller Sarkasmus.
„Isabella“, warf Esme ein und sah mich sträflich an.
Ich sah sie an. „Esme, du siehst wie BEIDE leiden. Sie leben schon seit 10 Jahre hier, seit ihrer Kindheit. Wahrscheinlich haben sie kein Stück Liebe und Aufmerksamkeit bekommen. Wie soll man unter dieser Erkenntnis bitte ruhig bleiben? Entschuldigung, aber es ist für mich unbegreiflich, wie man so lange Zeit nur daneben stand und nichts dagegen getan hat, Frau Cross. Sie sind eine Pädagogin. Eigentlich müssten sie wissen, wie wichtig die Kindheit für einen Menschen ist. Das was Alice und Edward anscheinend als Kindheit erlebt haben, kann man nicht gerade als schön bezeichnen. Beide werden ein Leben lang damit klar kommen müssen, sie werden sich immer damit konfrontieren müssen…. Es ist doch einfach nur grausam, dass sie das nicht eher verhindert haben?“, redete ich mich in Rage. Ich spürte die Tränen in mir aufsteigen. Menschlicher Schmerz von anderen Leuten, ging mir sehr unter die Haut. Besonders der von Alice und Edward. Er war meinem Schmerz so unbegreiflich nah.
Ich wischte mir die Tränen weg und sah jeden einzelnen im Raum an. Alle sahen mich geschlagen an. In manchen Blicken fühlte ich Mitleid.
Langsam senkte ich meinen Kopf und atmete tief durch.
„Entschuldigung, dass ich über sie geurteilt habe. Ich weiß, dass es in erster Linie falsch war. Trotzdem, bleibe ich bei meiner Meinung, dass sie eher nach einer Lösung hätten suchen müssen. Aber ich bin ihnen dankbar, dass sie sich jetzt durchgerungen haben. Danke.
Ich gehe zu jetzt zu Edward. Er sollte jetzt nicht alleine sein“, äußerte ich und drehte mich um. Mit schnellen Schritten ging ich aus der Küche. So schnell wie möglichst wollte ich zu Edward. Der Schmerz der wegen ihm in meinem Herzen herrschte, wuchs und wuchs. Je klarer mir wurde, WIE er hier lebte.
Ich ging den Gang entlang in Richtung Edwards und Alice Zimmer. Wie aus dem nichts öffnete sich eine Tür und James trat vor. Er sah mich direkt mit seinen eisblauen Augen an, sie wirkten so eisig und bösartig. Plötzlich klatsche er mir mit einer schnellen Bewegung auf meinen Po und fing an zu säuseln: „Na Süße, wo willst du denn hin? Nicht etwa zu dem Loser Masen. Komm sei doch ehrlich, so eine heiße Schnecke wie du, verdient was Besseres wie Masen. In Wahrheit ist er doch nur ein erbärmlicher kleiner Junge.“ Er lächelte mich absolut arrogant und selbstsicher an.
Im ersten Moment blieb ich nur erstarrt stehen. Die Wörter wiederholten sich in meinem Kopf und mir wurde bewusst, was er sagte.
Wie aus einem Reflex heraus, holte ich mit meinem Knie aus und traf ihn direkt in der Mitte. Er stürzte zu Boden und jammerte.
Ich bückte mich leicht runter und säuselte mit meiner zuckersüßen Stimme:
„Weißt du James, genau auf den Boden gehörst du. Edward besitzt wenigstens so was wie Anstand und einen Verstand. Was für dich wohl nur Fremdbegriffe sind. In Wahrheit bist DU doch nur ein niederträchtiger, hirnloser Idiot, der denkt, er wäre cool, wenn er so niveauloses Zeug von sich gibt. Mit jemanden wie dir, werde ich nicht sprechen. DAS Süßer, ist unter mein Niveau“, zischte ich und durchbohrte ihn mit meinem Blick.
James Gesicht verfinsterte sich und er stand wieder auf. Er baute sich vor mir auf. Innerlich seufzte ich.
„Ach, komm James. Willst du jetzt etwa ein wehrloses Mädchen schlagen, nur weil ich dir mal die Wahrheit sagt? WEIL einer den Mut hat, dir die Wahrheit vor Augen zu führen? Wage jetzt ja nicht deine dreckige Hand auf mich zu legen, das wird Konsequenzen haben. Frau Cross kennt mich und würde dafür sorgen, dass du bestrafst wirst und das nicht gerade milde“, drohte ich ihm.
Ich sah wie er sich versteifte. Wir sahen uns immer noch in die Augen. Ich dachte gar nicht daran, wegzuschauen. Er sollte es mal spüren, dass auch andere die Macht haben können.
Plötzlich stürmte er wieder ins Zimmer rein, wie ein feiges Hündchen, das den Schwanz einzieht.
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Was für ein erbärmliches, feiges und abartiges Verhalten James hat.
Noch einmal kurz blickte ich zur Tür, wo James rein gestürmt ist. Von dort kam aggressive Musik, oder besser gesagt Rap Musik. Ich schüttelte meinen Kopf. Nicht mal Musikgeschmack hatte er.
Ich setzte meinen Weg fort und klopfte an Edwards Zimmertür.
Im ersten Moment machte Edward keine Anstalten, mir die Tür zu öffnen. Gerade als ich wieder klopfen wollte, öffnete er die Tür.
Seine Haltung war angespannt, sein Kiefer fest aufeinander gebissen und seine grünen Augen wirkten bedrohlich und funkelten vor Zorn.
„WAS, willst du hier? Hast du meine Wörter nicht verstanden? Soll ich es dir buchstabieren? Ich. Will. Meine. Scheiß. Ruhe. Haben. Vor allem und jedem. Auch vor dir, Isabella. ALSO VERSCHWINDE!“, brüllte er mich an. Seine Hände ballte er dabei zu Fäusten.
„Edward“, fing ich ganz ruhig an. Meine Stimme war neutral, genauso wie mein Gesichtsausdruck.
„Es tut mir leid, was gerade geschehen ist. Ich verstehe, dass du aufgebracht bist. Aber ich werde es nicht akzeptieren, dass du dich den anderen gegenüber verschließt. Es tut DIR selbst nicht gut. Und deswegen bleibe ich hier“, ich schlängelte mich durch die Tür und blieb demonstrativ mitten im Zimmer stehen.
Edward, der immer noch an der Tür stand, war im ersten Moment geschockt. Als er realisiert hat, was passiert ist, drehte er sich um. Mit angespannter Haltung ging er in meine Richtung. Am Rande bekam ich mit, dass seine Fäuste bedrohlich zittern.
„FUCK, was soll der scheiß ISABELLA!?“, brüllte er mich an und griff nach dem nächst Besten und schmiss es weg. Es knallt direkt an die Wand und zerbrach in Einzelteile.
Ich zuckte verräterisch. Aber riss mich wieder schnell zusammen. ICH müsste jetzt stark sein für ihn. Für seine verletzte Seele. Auch wenn ich wahrscheinlich damit rechnen muss, dass ich seine ganze angestaute Wut abbekommen. Ich würde es wenigstens versuchen. Probieren geht über studieren.
„Edward, beruhige dich. Bitte. Lass deine Gefühle anders raus. Rede über sie, aber verstecke sie nicht hinter deine Wut. Lass dir bitte helfen…. Rede mit mir, über deine Gefühle, bitte“, flehte ich ihn an. Meine Stimme klang der Verzweiflung nahe.
„DU willst mir helfen? Gerade du? Der Mensch, der ein perfektes geregeltes Leben hat. DU kannst deine Träume erreichen und wirst von deinen Mitmenschen anerkannt und respektiert, bist nicht das schwarze Schaf, der Sündenbock, der in keine Gesellschaft hineinpasst und deshalb hin und her geschoben wird. Und DU musst nicht mit ansehen, wie deine eigene Schwester langsam unter diesen Verhältnisse verkümmert und du nichts machen kannst, weil du selbst zu schwach bist. Isabella, lebe in deiner perfekten Welt weiter. Erreiche deine Träume. Aber lass mich in Ruhe. Ich brauche dein vorgetäuschtes Mitleid nicht. Ihr Menschen seid doch alle gleich. Egoistisch, gierig, neidisch, zornig, gefräßig, machtsüchtig, unehrlich und betrügerisch“, zischte Edward, halb wütend und halb traurig.
Ich seufzte leise und versuchte ruhig zu bleiben. Ich verstand ihn vollkommen. Sein hartes abweisendes Verhalten anderen Menschen gegenüber. Sogar, dass er mich beleidigt hatte, konnte ich verstehen. Indem er mich fertig gemacht hatte, hatte er seinen eigenen Hass auf sich selbst wieder gespiegelt.
Dieses grausame Gefühl nichts wert zu sein, verfolgte meine halbe Kindheit. Für meine eigene Mutter, bin ich das ganze Leben schon ihr persönlicher Sündenbock gewesen. Egal, was sie tat, ich war dran schuld, weil ich einfach existiere. Aber DAS war jetzt unwichtig. Edward war wichtiger. Er brauchte jetzt meine Hilfe. Jetzt wo er endlich über das spricht, was er denkt. Einen kurzen Moment schaute ich noch auf den Boden, ich rang um Fassung. In Gedanken zählte ich bis 10. Mit neuem Mut hob ich meinen Blick und sah im fest in die Augen.
„Edward, alle Menschen haben die Eigenschaften, auch du. Aber können Menschen auch freundlich, hilfsbereit, fürsorglich, verständnisvoll, liebevoll, geduldig und rücksichtsvoll sein. Nicht alle Menschen besitzen all diese Eigenschaften, aber einige. An die musst du dich wenden. Sie werden dir helfen. Ich werde dir helfen. Edward bitte, geb nicht so einfach auf und verstecke dich nicht hinter einer aggressiven Hülle. Alice und du, ihr seid Menschen mit einem großen Herz. Ihr beide habt so ein Leben nicht verdient… Es ist schwer Vertrauen zu fassen, zu einem fast fremden Menschen. Das ist mir klar. Aber wie heißt es so schön ‚probieren, geht über studieren‘. Jetzt sind Leute da, die euch endlich aus dieser Situation helfen wollen. Jasper, Emmett, Esme, Carlisle und ich, werden euch helfen hier raus zu kommen. Das wollen wir aber nicht, weil wir euch schaden wollen. Nein, wir machen es freiwillig, wir wollen, dass es euch hier drin nicht mehr so sehr weh tut“, ich legte meine flache Hand auf sein Herz. Für einen Moment war er erstarrt.
In nächsten Moment fing er an zu beben, sein ganzer Körper zitterte. Mein Verstand sagte mir, dass ich fliehen sollte. Ganz weit weg, mich in Sicherheit bringen sollte. Aber mein Herz wusste, dass ich hier hin gehörte. Ich werde ihn nicht im Stich lassen. Niemand war für ihn da. Jahrelang war er alleine und musste sich um seine kleine Schwester kümmern. ER musste seinen eigenen Kummer weg stecken, weil er niemanden belasten wollte. Deswegen baute er eine Mauer auf, eine Mauer voller Gewalt und Brutalität. Wenn sich niemand gegen sie stellen wird, würde es nicht besser werden. Mein Herz zwang mich an Ort und Stelle zu bleiben, für Edward, einen Menschen den ich sehr gerne habe.
„LASS MICH VERDAMMT NOCHMAL IN RUHE. Du laberst von guten Eigenschaften? Gerade du? DU bist doch auch nicht besser, als die anderen. Laberst mich mit deinem Psycho-Quatsch zu. Willst mich nur beeinflussen, so dass ich dir zu Füßen liege und du mich dann verletzten kannst. Aber, dass lass ich nicht zu. DU lässt mich jetzt mit der verdammten Scheiße in RUHE und verschwindest aus meinem FUCKING Leben“, brüllte er und schubste mich an die Wand.
Ich knallte heftig dagegen und spannte mich an. Pures Adrenalin floss durch meine Adern. Mein Kopf pochte wild und dröhnte leicht.
Mir wurde die Gefahr bewusst, die von Edward ausging. Er hatte seinen Wutausbruch nicht im Griff. Wenn ich ihn noch mehr reize, werde ich wohl brutal zusammen geschlagen. Seine Gefühle sind zu unkontrolliert und er ist dabei seine eiserne Mauer herunter zu fahren.
Trotzdem werde ich nicht aufgeben. Isabella Marie Swan gibt nie auf. Selbst wenn ich es riskiere eins auf die Nase zu bekommen. Mit meinen Augen suchte ich Edwards. Seine grünen Augen waren Wut verschleiert und wirkten leicht schwarz. Eine Weile schauten wir uns stillschweigend an, ich bemerkte wie langsam die Wut aus seinem Blick wich.
„Ich werde dir helfen“, sagte ich und er fing an zu beben. Heiße Tränen stahlen sich aus seinen grünen Augen. Die ganzen Emotionen, die er versucht hat zu unterdrücken, kamen heraus.
„Edward… “, stieß ich nur aus, und dann trat ich auf ihn zu und schlang meine Arme fest um ihn, zog ihn an mich und zog sein Gesicht herab, um es an meiner Halsbeuge zu vergraben..
Beruhigend strich ich ihm über den Rücken und merkte wie seine Anspannung nach lies. Eine Weile blieb er noch regungslos stehen, dann löste er sich von mir.
„Danke“, nuschelte er und kniff seine Augen zusammen.
Mir wurde klar, dass er wieder mit seinen Emotionen kämpfte. Er sah geschlagen aus und seine Gesichtszüge wirkten traurig.
„Das ist doch selbstverständlich“, flüsterte ich ebenso leise und lächelte in mich hinein.
Edward öffnete seine Augen und sah mich an.
„Ich…Entschuldigung, Bella. Ich wollte dir nicht weh tun“, sagte er leise. In seinem Blick lag pure Reue.
„Edward, es ist schon okay. Es wird nur eine kleine Beule werden. Nichts Ernstes.“
Er nickte und sein Blick heftete sich auf den Boden. In dem Moment wo er hier stand, war er der echte Edward. Das gebrochene Kind, das ein Leben voller Schmerz hinter sich hatte.
Ich bemerkte wie mir die Tränen hochstiegen, versuchte sie aber zu unterdrücken. Tränen von meiner Seite waren unangebracht.
Mit einer schnellen Bewegung griff ich nach Edwards Händen und strich über sie. Seine Hände waren eisig kalt und noch angespannt.
„Wir beide bekommen es schon hin, dass verspreche ich dir“, versicherte ich ihm.
Edward hob seinen Blick und sah mich mit unergründlicher Miene an. Ich stand genauso wie Edward da, nur mit dem Unterschied, dass ich meinen Blick nicht abwenden konnte. Seine grünen Augen zogen mich in einen eigenartigen Bann, der mich alles vergessen ließ.
„Bella“, hauchte er mir entgegen. Sein Duft betörte mich nur noch mehr.
„Fuck…Glaub mir, ich habe in meinem verdammten, kurzen Leben schon eine Menge Menschen kennen gelernt, aber noch nie jemanden wie dich. Die meisten sind einfach nur oberflächlich und sehen nur das Äußere, aber du siehst auch das Innere. Obwohl du die totale Angeberin sein könntest, bist du trotzdem noch bescheiden und nimmst dir eigentlich nicht viel von alldem. Für dich zählt nicht der Ruhm, sondern einfach die Glückseligkeit… Du hast gezeigt, dass nicht alle Menschen schlecht sind. Du bist der lebende Beweis dafür. Bella, danke, dass du einfach du bist“, er beendete seine Rede und lächelte mich mit seinem schiefen Lächeln an.
Ich öffnete meinen Mund und wollte was sagen, aber kein Ton kam heraus. Nicht nur, dass er mich mit seiner Anwesenheit betört, nein jetzt auch noch mit lieblichen Wörtern.
„Woah, habe ich die große Ballerina, sprachlos bekommen?“, hackte Edward amüsiert nach.
Ich nickte und schüttelte meinen Kopf. Rang um Fassung.
„Auf keinen Fall, nein. Ich war nur so erschrocken, darüber, dass du so was sagen kannst. Nimm das jetzt nicht persönlich, bitte. Aber bis gerade eben, warst du noch ein vorlauter Junge“, erklärte ich ihm und schaute dabei verlegen auf den Boden. Ich fühlte wie meine Wangen rot wurden.
„Ich weiß was du meinst. Glaubst du mir, wenn ich sage, dass ich eigentlich gar kein Arschloch sein will. Eigentlich bin ich eine sehr sentimentale Person, die eher Ruhe und Frieden will. Okay, ich war eine sentimentale Person…Jetzt nicht mehr“, gestand Edward in einem traurigen Ton.
Jeder Blinde sah, dass Edward unter seiner Veränderung litt. Er wollte ein ganz anderer sein, aber seine Blockade hinderte ihn selbst dran.
„Du bist immer noch der sentimentale ruhige Junge, Edward. Das warst du schon immer“, ermutigte ich ihn und sah ihn dabei an. Ein echtes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. Einen kurzen Moment war es still. Keineswegs erdrückend. Es war ein Moment des Einklangs.
Ich nutze die Gelegenheit, um mich ein bisschen im Zimmer umzuschauen. Es war nicht groß und bestand aus alten Holzmöbeln. Aber ein Gegenstand nahm meine Aufmerksamkeit ein: ein altes Keyboard. Es stand ganz unscheinbar in der Ecke.
Edward der meinen Blick bemerkte, folgte meinem Blick und fing an zu Grinsen. Er nahm meine Hand und zog mich zu dem Keyboard.
Er setze sich auf die Bank und klopfte auf den Platz neben sich. Ein Zeichen, dass ich mich auch setzen sollte. Ich lächelte ihn zaghaft an und nahm Platz.
„Es ist mein Keyboard, wie du bestimmt schon gedacht hast. Seit meiner frühsten Kindheit besitze ich es schon. Dem entsprechen ist es schon sehr alt und leicht verklungen, aber seinen Zweck erfühlt es“, erklärte er mit einer neutralen Stimme und strich über die Tasten.
„Spiel etwas“, forderte ich ihn auf.
Er seufzte leise. „Hast du einen besonderen Wunsch?“, hackte er flüsternd nach.
Ich schüttelte meinen Kopf.
„Ich will das Stück hören, was dir durch deinen Kopf geht, Edward.“ Ich lächelte ihn an.
Er erwiderte mein Lächeln und sah mir einen Moment in die Augen. Als nächstes wand er sich zum Keyboard. Seine Hände legte er auf die Tasten, dabei schloss er seine Augen.
„Wie es die Dame will“, flüsterte er kaum hörbar.
Er fing an zu spielen. Eine unbekannte Melodie schoss durch den Raum. Ich schloss meine Augen und nahm die sanften Klänge auf.
Harmonisch, Traumhaft, grandios, fantastisch, unglaublich, mirakulös. Diese Wörter schossen mir durch meinen Kopf.
Das Stück gab einem ein Gefühl von Glück, Vertrauen und Freiheit. Die perfekte Symphonie. Jeder Ton harmonierte mit den anderen. Es verzauberte mich, dieses Lied, ein ganz besonderes Stück.
Edward war sich seines Werkes sicher. Er spielte sensationell. Sein Handwerk war fließend, selbst mit geschlossenen Augen. Jeder Ton, jeder Griff saß perfekt. Dazu strahlte er noch eine Ausstrahlung aus, die mich verzauberte.
Jeder Blinder konnte sehen, dass das Klavierspielen, sein Element war. Seine Begabung und sein Leben.
Er lebt jeden einzelnen Ton, jeden einzelnen Takt aus.
Das Stück endete mit einem sanften, leisen Ende. Die letzten Töne drangen durch den Raum und umrahmten diesen Moment.
Edwards Lächeln war immer noch nicht verschwunden. Worüber ich sehr froh war. Es war selten, dass er so Lächelte, dass wusste ich. Aber dieses Lächeln, war einfach zu Schade dazu, um es verkümmern zu lassen.
Ich liebte dieses Lächeln bedingungslos, vom ersten Augenblick an. Er zeigte es mir, bei meinem Ballettauftritt, vor 3 Wochen. Ich konnte in dem Moment, nicht meinen Blick von ihm wenden.
Sein Lächeln zeigt pures Leben, Glück und Liebe. Er musste so viel durchmachen, trotzdem war es so rein, so voller Leben. Ich erkannte schnell die reine Seele von Edward, seine Probleme, die er mit sich selbst hatte.
Wir waren uns beide so ähnlich und doch verschieden.
„Und? Wie fandest du es?“, fragte er in die Stille hinein, die uns umgab.
„Hmm..“, überlegte ich leise und suchte nach den passenden Wörtern.
Meinen Kopf lehnte ich dabei an seinen Körper.
„Zum einen faszinierend. Und zum anderen überwältigend. Ich habe schon viele Stücke gehört, aber das ist das Beste, was ich je gehört habe, was ich gefühlt habe, Edward. Du bist so unglaublich talentiert. Begeisterst deine Mitmenschen durch die Musik, mich jedenfalls. Ich danke dir sehr Edward, für diesen kostbaren Moment, der Harmonie…“, offenbarte ich ihm und schloss wieder meine Augen.
„Wie heißt das Stück eigentlich? Es ist mir unbekannt“, hackte ich mit Interesse nach.
„Shining Smile“, antworte er schlicht.
Ich öffnete meine Augen.
„Bezauberndes Lächeln?“ Es ließ mich Lächeln. Meine Augen versanken wieder in seinen.
„Genau, bezauberndes Lächeln oder auch strahlendes Lächeln. Das Stück ist von Yiruma. Er ist ein sehr bekannter Pianist.
Shining Smile ist eins meiner Lieblingsstücke. Die einfache Melodie, sagt so viel aus. Gibt so viele Gefühle des Menschen wieder. Es erinnert mich immer daran, dass eine Person die einem am meisten bedeutet, lächelt. Ein einfaches Lächeln, was trotzdem so viel für einen bedeutet. Denn dieses Lächeln bedeutet Liebe, Harmonie, Glück und Frieden“, erwiderte Edward, dabei sahen wir uns weiter hin an.
„Du hast Recht, dass habe ich mir auch vorgestellt, obwohl ich den Titel noch nicht kannte… Edward ich bin wirklich zutiefst beeindruckt. Nicht nur wegen dem Stück, sondern auch wegen dir. Hinter deiner harten Schale, steckt eine wunderbare Person.“
„Danke Bella.“ Er lächelte sein Lächeln. Seine Augen glühten, wie noch nie zu vor. Die Intensität verschleierte meine Gedanken und mein Tun. Ich war zu nichts mehr fähig.
Ein plötzliches Klopfen, ließ diesen Moment verkümmern. Edward und ich zuckten verräterisch zusammen.
„Edward, Bambi ich soll euch beide holen. Wir wollen doch noch was besprechen, dass weißt du doch Bella“, übermittelte uns Emmett, der auf der anderen Seite der Tür stand und noch mal energisch klopfte.
Neben mir seufzte Edward, leicht ärgerlich? Ich konnte es nicht so richtig einordnen. Er fuhr sich durch seine Haare, wodurch sie noch unordentlicher lagen.
Ich fing leise an zu kichern. Ihm stehen buchstäblich die Haare zu Berge.
„Okay, Teddy wir kommen“, rief ich Emmett zurück. Mit einer schnellen Bewegung stand ich auf und nahm Edwards Hand. Wie vor 3 Wochen zog ich ihn voller Tatendrang zur Tür hinaus.
Emmett sah uns mit einem ungläubigen Blick an, als wir aus der Tür schritten.
Ich grinste ihn an und schnappe seine Hand mit meiner anderen Hand. Beide Jungs zog ich hinter mir her. Emmett fluchte leise und Edward versuchte ihm beizubringen, dass es eh nichts brachte. Es war zwecklos.
In der Küche, wo die anderen versammelt waren, blieb ich stehen. Für die anderen bot sich sicherlich ein komisches Bild, wie wir 3 in der Küche ankamen, dass sah ich an ihren Gesichtern.
Rosalie und Alice lachten, aus tiefstem Herzen und gaben Kommentare ab wie: „Na, Bella hast du deine Jungs in Griff?“
Ich konnte nur kräftigst nicken und mit den beiden Mädels Lächeln. Es war schön mit anzusehen, dass Alice wieder fröhlicher war. Jasper hatte sein Ziel erfolgreich erreicht. Aber was anderes hatte ich auch nicht von ihm erwartet. Er war Alice völlig verfallen und musste ihr einfach helfen.
Als ich mich wieder beruhigt hatte, sah ich mich noch weiter im Raum um. Jasper und Esme lächelten mich an. Und Carlisle und Frau Cross, sahen mich mit einem nicht definierbaren Blick an.
Edward und Emmett lösten sich derweil von meiner Hand.
Emmett ging demonstrativ zu seiner Freundin Rosalie und nahm sie in den Arm und Edward zu seiner kleinen Schwester. Er wog sie in Sicherheit.
Ein kurzes Räuspern vernahm ich von Carlisle. Er bat um Aufmerksamkeit.
„Es tut mir leid, dass ich diesen Moment jetzt leider zerstören muss. Aber wir sind heute nur erschienen um euch zu besuchen, Edward und Alice“, er sah die beiden an.
„Wir haben einen Anruf von Frau Cross bekommen. Wie ihr bereits erfahren habt, wird das Heim Ende diesen Sommer geschlossen, wegen des schlechten Umgangs gegenüber den Kinder. Was meiner Meinung nach durchaus richtig ist. Trotz alldem, würde es bei euch zu Schwierigkeiten kommen. Edward du bist volljährig und könntest eigentlich schon alleine leben. Alice du dagegen nicht, du müsstest noch betreut werden. Deswegen bat uns Frau Cross, ob wir euch nicht als Pflegekinder aufnehmen könnten. Zumindestens solange, bis ihr beide Volljährig seid und ihr finanziell in Guter Lage seid“, erklärte er sachlich.
Die Angesprochenen standen nur geschockt da. Alice war die erste, die ein Wort heraus kam.
„Heißt das ihr adoptiert uns?!“, fragte sie schrill nach. Ihr traten Tränen in die Augen.
„Nein, adoptieren nicht. Das Verfahren würde zu lange dauern. Aber wir können für euch eure Pflegeeltern sein. Der Staat würde euch trotzdem finanziell unterstützen. Ihr müsst unser Angebot nicht annehmen. Nur wir wollen euch die Chance geben, nicht getrennt zu werden“, äußerte sich Esme.
„Und das ist kein böser Scherz den ihr euch erlaubt?“, fragte Edward nach. Der Unglauben war in seine Stimme geschrieben.
„Nein, ist es nicht Schätzchen“, mischte sich Frau Cross nun ein. Sie ging zu den Beiden rüber.
Mit einer sanften Bewegung strich sie durch Alice Haar.
„Ihr beide verdient auch mal ein bisschen Glück. Ich habe euch gesehen, wie glücklich ihr nach dem Ausflug wart. So glücklich habe ich euch die 10 Jahre, die ich hier schon arbeite, noch nie gesehen. Ich habe die Cullens kontaktiert, weil sie euch ein schönes Leben ermöglichen können, was ihr bis jetzt nicht hattet. Was wir in diesem Heim, euch einfach nicht bieten konnten. Es tut mir Leid, was alles passiert ist. Dass wir so vieles verkehrt gemacht haben, ihr alleine wart mit eurem Schmerz und euren Problemen. Deswegen hoffe ich, dass ich wenigstens jetzt helfen konnte, wenigstens einmal“, offenbarte Frau Cross und sah dabei zu mir herüber.
Ich stand immer noch wegen meines Kommentars gerade. Es war berechtigt gewesen. Jemand musste mal die Wahrheit sagen, auch wenn es eine nicht gerade schöne Wahrheit ist.
Alice schluchzte bitterlich in Edwards Armen. Er hielt sie einfach nur fest und stand starr da.
Jasper, der es nicht ertragen konnte, wie Alice weinte, ging zu ihr. Er legte eine Hand auf ihre Schulter. Sie stürmte in ihn rein und umarmte ihn fest.
Ich ging zu Edward und strich ihm über die Hand. Er erwachte dadurch aus seiner Starre auf und sah mich mit einem fragenden Blick an.
„Sag bitte ja, Edward“, flüsterte ich leise und strich ihm dabei über die Wange. Plötzlich spürte ich Edwards Arme um meinen Hals und seinen Kopf auf meiner Schulter.
„Ja, wir würden gerne bei euch wohnen…zu gerne“, nuschelte er an meiner Schulter. Es verstanden trotzdem alle. Kurz zog Edward noch mal die Luft ein. Er rang nach Fassung, dass wusste ich. Mit beruhigen Bewegungen strich ich ihm über seinen Rücken.
Er lächelte mich dankbar an. Es war eine stille Kommunikation.
„Gut, dann wäre das wichtigste geklärt. Jetzt lasst uns doch einen schönen Nachmittag verbringen. Wir sind ja nicht nur gekommen, um traurige Stimmung zu bereiten. Alles weitere können wir ja immer noch klären, meint ihr nicht? Wir haben Kaffee und Kuchen mitgebracht“, warf Esme mit einem mütterlichen Lächeln ein.
Gemeinsam deckten wir den Tisch und erlebten noch einen schönen, harmonischen Nachmittag. Wir erzählten viele Geschichten über das Michelangelo Internat.
Alice beteiligte sich aufgeregt an dem Gespräch. Edward dagegen hielt sich etwas zurück, trotzdem spürte ich, dass er gespannt zu hörte.
Ab und zu schweifte mein Blick zu ihm. Er bemerkte meinen Blick und grinste mich an. Blut rauschte mir in meine Wangen und ich spürte wie ich leicht rot wurde. Das brachte ihn natürlich nur noch mehr zum grinsen.
Gegen 17 Uhr verabschiedeten wir uns von ihnen. Dieses Mal lief der Abschied etwas gespannter. Wir wussten ja, dass wir uns bald wieder sehen.
Alice, die jetzt fröhlicher war, zerquetschte mich fast mit ihrem Klammergriff. Ich konnte nicht verstehen, wie eine zierliche Person so viel Kraft haben kann.
Mit Edward lief der Abschied ähnlich ab. Nur das er nicht so viel Kraft in die Umarmung legte. Ich
küsste ihn auf die Wange, was ihn erröten ließ.
„Bis dann Bella“, flüsterte er mir zu. Sein schiefes Lächeln zierte seine Lippen.
„Wir sehen uns Edward. Du wirst mich jetzt bald oft ertragen müssen. Um genau zu sein fast 345 Tage in Jahr“, betonte ich. Edward stöhnte gespielt auf und ich grinste ihn an.
Es war eine schöne Vorstellung Edward jeden Tag zu sehen. Wir verstanden uns beide prächtig, hatten dieselbe Ironie und denselben Sarkasmus. Emmett und Jasper verstanden es meistens nicht.
Außerdem zog mich Edward magisch an. Ich wusste nicht, wie ich dieses Gefühl einordnen soll. Es war nicht Liebe, es war eher Verbundenheit. Oder auch eine Mischung aus Liebe und Verbundenheit?
Es machte mir leicht Angst. Ich wollte mich nicht verlieben, schon gar nicht in Edward. Eine Liebe hätte keine Chance. Mein Leben war das Ballett. Das war meine Einzige Liebe, die ich lieben durfte.
Ich machte ein paar Entspannungsübungen für die Hände.
Graziös und fließend ging meine Hand in meinen Finger über, als würde ich eine unsichtbare Laute schlagen.
Ich nahm die zweite Position ein, das rechte Bein mit aufgesetzter Fußspitze. Ich übte nacheinander ein paar schnelle battements und frappés. Als nächstes legte ich mein rechtes Bein mit durchgedrücktem Knie auf die Ballettstange, und beugte mich langsam vor. So weit, bis ich ein starkes ziehen im Oberschenkel spürte. Ich nahm meine Hände über meinen Kopf und legte sie dann leicht auf meine Fußspitzen.
Als nächstes wechselte ich das Standbein und legte das linke Bein ausgestreckt mit dem Fuß auf die Stange und beugte mich zurück. Eine Zeitlang hielt ich die Pose durch, aber dann durchfuhr mich wieder ein Schmerz, der wie ein elektrischer Schlag ist, in der Wirbelsäule. Hastig nahm ich mein Bein runter.
Als nächstes erhob ich mich zur Attitude und schloss meine Augen. Die sanften Töne, von Debussy Clair de lune, schwangen durch den Raum. Ein kleines Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Ich tanzte durch den ganzen Raum, in meiner eigenen Welt des Balletts. Die Töne von Claire de lune begleiteten mich in jeder Pose und in jedem einzelnen Schritt. Es fühlte sich vollkommen an. Alle Probleme, Sorgen waren vergessen. Was jetzt zählte ist, dass ich tanzte, dass ich endlich lebe.
Ich erhob mich zur Arasbaque. Meine Haltung war angespannt. Mit einer fließenden Bewegung fuhren meine Hände nach vorne und meinen Kopf erhob ich nach vorne.
Die letzten Töne von Clair de Lune wurden gespielt und ich behielt meine Pose bei. Genoss den letzten Moment in einer Welt voller Frieden und Harmonie.
Die Musik hörte auf, es war Mucksmäuschen still im Raum.
Plötzlich applaudierte jemand, hinter mir. Ich erschrak, behielt aber die Haltung bei. Haltung bewahren, war eins der wichtigsten Elemente einer Ballerina.
Langsam und fließend ging ich auf die Normalposition zurück und drehte mich. Ich öffnete meine Augen und sah in das vertraute Gesicht von Esme.
„Danke, Esme“, entgegnete ich und machte mit einer geschickten Bewegung einen Knicks. Esme lächelte mich an.
„Nichts zu danken, Liebes. Du bist wirklich wundervoll, wie ein Engel. Immer wenn ich dir beim tanzen zusehe, bemerke ich wie viele Fortschritte du machst. Trainiere weiter so hart und du wirst dein Leben als fantastische Ballerina leben, Isabella. In dir steckt so viel Talent, Bella. Nutze es und du wirst deinen Traum erreichen können“, betonte sie und sah mich voller Stolz an.
„Ich werde mein bestes tun, Esme. Mein Traum ist es eine richtige Ballerina zu werden und das werde ich auch erreichen. Egal, was ich für Opfer bringen muss. Ich werde nicht aufgeben, schon alleine weil ihr mich so tatenkräftig unterstützt“, garantierte ich ihr.
„Das ist es was ich hören will, Liebes. Zu gerne würde ich dir weiter beim Trainieren zu schauen, aber Carlisle und ich haben etwas Wichtiges mit euch zu besprechen. Deswegen bitte ich dich jetzt dein Training zu beenden und hoch zu kommen, in unser Esszimmer“, informierte sie mich.
Ich nickte ihr entgegen. „Okay, ich ziehe mich noch schnell um, dann komme ich hoch.“
„Etwas Zeit kannst du dir lassen, es eilt nicht gar so sehr. Außerdem muss ich noch Rosalie und Emmett aufwecken, das könnte wie du weißt, ein bisschen dauern!“
„Eher Stunden“, murmelte ich. Esme lachte kurz auf, mit einem vielsagenden Blick verließ sie wieder den Ballettsaal.
Ich schnappte mir meine restlichen Sachen und ging hoch in mein Zimmer. Schnell zog ich mich um und ging dann runter ins Esszimmer. Meine Haare band ich unterwegs zu einem Pferdeschwanz zusammen.
Jasper, Esme, und Carlisle waren schon da. Nur Rosalie und Emmett fehlten. Was mich wirklich nicht wunderte.
Die Beiden waren seit neuestem ein Paar. Erst seit 2 Wochen, um genau zu sein. Sie waren schon seit einer halbe Ewigkeit ineinander verliebt, aber Rosalie hatte Emmett flehen und betteln lassen und erst neulich nachgegeben.
Es war ein ewiges hin und her. Emmett war zu aufdringlich und verstellte sich zu sehr. Rosalie war zu stur und sah nicht ein, was sie an Emmett hat. Erst als sie ihn neulich 2 Wochen lang nicht gesehen hat, wurde ihr klar wie innig ihre Gefühle waren, wie wichtig er für sie war.
So gab sie seinem Betteln nach und die beiden waren nun ein glückliches Paar. Nur LEIDER hingen sie jetzt jede einzelne Sekunde beieinander. Es war einfach nervig, wenn man mal was von ihnen wollte, bekam man keine vernünftige Aussage.
Aber das ist wohl so, wenn man frisch verliebt und glücklich ist. Man schwebt auf Wolke 7 und lebt isoliert in der Welt der Liebenden. Nachvollziehen konnte ich dieses Gefühl nicht, ich war noch nie verliebt gewesen und wollte mich gar nicht verlieben. Es würde mich nur an meinem Traum hindern. Ein Freund würde mich zu sehr ablenken und ich könnte mich nicht mehr aufs Tanzen konzentrieren.
Deswegen machte ich mir nicht viel aus Jungs. Ohne diese Wesen bin ich einfach besser dran.
Ich setze mich neben Jasper und unterhielt mich mit ihm über die Aufführung in 2 Wochen. Wir würden einen kleinen Eingangstanz am ersten Schultag vorführen, nur mussten wir beide noch die Choreografie einstudieren. Bis jetzt hatte Jasper aber kaum Zeit und Lust gehabt, mit mir zu üben.
Klar, er mochte das Tanzen, aber für ihn war es nicht das ganze Leben. Deswegen trainierte er weniger, als ich. Seine Ansichten verstand ich. Für ihn war Ballett nur ein Hobby und nicht sein Leben. Er wollte lieber Leuten helfen, als Psychotherapeut. Darin lag auch seine Stärke, er konnte gut die Gefühle von anderen Einschätzen und sie verbessern.
„Wann kommen die beiden endlich“, äußerte sich Esme, als eine halbe Stunde vergangen ist.
Wie auf Kommando kamen Rose und Emmett in das Esszimmer, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Sie begrüßten uns mit einem Kuss auf die Wange und setzen sich auf ihre Plätze.
Carlisle räusperte sich.
„Es ist schön, dass ihr uns mit eurer Anwesenheit auch mal beehrt. Das nächste Mal bitte ein bisschen schneller“, äußerte er sich, mit einem Lächeln auf den Lippen. Er war selten streng und wenn dann nicht wegen Kleinigkeiten. Trotzdem war er eine Person, die wir respektierten. Man könnte ihn als Oberhaupt der Familie bezeichnen. Wenn er etwas entschied, dann hielt sich jeder dran.
„Geht klar, Dad“, entgegnete Emmett und grinste seine Freundin an. Diese nickte nur zaghaft.
„Weswegen hast du uns hier her bestellt?“, fragte Jasper neugierige nach.
„Dazu wollte ich gerade kommen, Jasper. Ich habe einen Anruf von Frau Cross bekommen. Eine Erzieherin des Norderstedts Heim, wie ihr vielleicht wisst. Sie teilte mir mit, dass das Heim wegen Erzieher- und Geldmangel geschlossen werden müsse. Außerdem haben sie eine Anklage am Hals, wegen Vernachlässigung der Kinder“, erklärte er sachlich ohne jegliche Emotion.
„Was? Was passiert dann mit Alice?“, appellierte Jasper sofort aufgebracht. Innerlich seufzte ich. Er hing echt an diesem Mädchen. Vergaß dabei leider, dass sie auch einen Bruder hat, dem es genauso schlecht ging wie ihr. Das hatte ich schon im Auto gemerkt, als er und Emmett nur über Alice redeten.
„Genau das ist der springende Punkt, den wir mit euch besprechen wollten. Die liebe Frau Cross hat uns gefragt, ob wir nicht die Pflegeeltern von Alice und Edward werden könnten. Sie teilte uns mit, dass die beiden schon knapp 10 Jahre in diesem Heim wohnen. Nie wollte sich eine Pflegefamilie finden, die die beide aufnehmen könnte. Trennen wollte sie die Geschwister nicht, weil sie vieles in ihrer Vergangenheit durchmachen mussten und nur den Halt des anderen Geschwisterteils hatten. Wenn jetzt das Heim geschlossen wird, müssen sie getrennt leben.
Alice, ist mit ihren 17 Jahren noch Minderjährig und müsste in einem anderen Heim aufgenommen werden. Nur bei Edward ist das Problem, dass er bereits sein 18. Lebensjahr erreicht hat, es wird schwer werden für ihn noch einen Platz in einem Kinderheim zu bekommen. Rechtlich gilt er als Heranwachsender. Frau Cross hat unter diesen Umständen Bedenken, dass sie diese gravierende Veränderung verarbeiten können. Beide brauchen einander und ihre verletzte Psyche würde nur durch den Verlust des anderen noch mehr geschadet werden.
Deswegen versucht Sie verzweifelt eine Pflegefamilie für die beiden zu finden. Ich und Esme, teilen ihre Bedenken und würde gerne ihrer Bitte nachgehen. Wir wollten aber das ganze erst einmal mit euch besprechen, ehe wir eine endgültige Entscheidung treffen. Es geht euch genauso viel an, wie uns. Besonders dich, Emmett“, schilderte Carlisle uns die Lage. Ich schluckte tonlos.
Die Nachricht schockierte mich. Ich konnte nicht fassen, dass ein Kinderheim in so einem Zustand ist. Mir war von vornherein klar, dass etwas nicht stimmte. Aber dass sie eine Anklage wegen Vernachlässigung der Kinder am Hals hatten, war schon ziemlich gravierend. So was wird nicht wegen Kleinigkeiten festgestellt.
„Hmm… Also ich hätte nichts dagegen. Alice, meine kleine süße Elfe, ist so süß und so rein. Sie kann man nur knuddeln. Ich versichere euch, sie wird es bei uns schön haben! Nur seid ihr euch sicher, dass ihr Edward auch aufnehmen wollt? Er hat ein verdammt lautes Mundwerk, so arschlochmäßig. Teilweise war er okay, dass gebe ich zu, aber er wird euch, uns, viele Schwierigkeiten bereiten“, äußerte Emmett seine Meinung. Ich wand meinen Kopf in seine Richtung und starrte ihn Fassungslos an.
Wie konnte er sich so über einen Jungen äußern, den er nur ein paar Minuten kannte?
Ich hatte Mitleid mit Edward. Schmerzlich musste ICH erfahren, was es heißt auf der Welt nichts wert zu sein. Das nagt schon an einem. Wenn ich mir so vorstelle, dass Edward 10 Jahre im Heim leben musste, verstehe ich sein in sich gekehrtes Verhalten ein bisschen.
„Emmett ich bitte dich, lass diese abwertenden Wörter in diesem Sachverhalt… Du weißt nicht was der arme Junge durchgemacht hat, also verurteile ihn nicht. Bestimmt ist er ein lieber Junge, wenn du ihn erst mal richtig kennenlernst“, warf Esme ein und sah ihren Sohn streng an.
„Mum, ich sage es ja nicht unbegründet. Ich kenne die Typen, die wie er sind. Du hättest ihn mal erleben müssen. Er war vom ersten Moment an, von uns angewidert. Andauernd warf er kalte arrogante Blicke zu uns und beleidigte Bella. Erst als sie was dazu gesagt hat, hörte er damit auf und spielte den braven lieben Jungen“, äffte Emmett herum. Er grinste in meine Richtung.
Ich starrte ihn emotionslos an.
„Naja, Emmett hat schon irgendwie Recht“, gestand Jasper.
Das war das, was das Fass zum überlaufen brachte. Das Emmett manchmal zu schnell über Menschen urteilte, wusste ich. Aber das Jasper diese Aussage noch stütze, weil er geblendet war von Alice Traurigkeit, war absolut unfair.
Ich stand mit einem Ruck auf und zischte die Beide an: „Jetzt hört auf, alle beide!“
„Ihr könnt nicht über ihn urteilen, weil ihr beide ihn nicht kennt. Klar, war der erste Eindruck, denn er gemacht hat, nicht gerade positiv, aber über Jahre lehrte uns Esme, dass wir einem Menschen die Chance geben müssen, um sich entfalten zu können. Verfolgt ihr diesen Rat? Dadurch, dass ihr schlecht über ihn redet, hinter seinen Rücken? Nein. Ihr seid kein Stück besser als er. Edwards Verhalten hat einen Grund, dem ihr euch wahrscheinlich nicht im Klaren seid, weil ihr beide nur Alice' Schmerz seht“, sprudelte es aus mir heraus.
„Welchen Grund denn? Ich meine, er machte keinen traurigen Eindruck…“, hackte Emmett milde überrascht nach.
„Er lebt in einem Heim, seit 10 Jahren, Emmett. Hat wahrscheinlich keine Eltern mehr. ER alleine muss sich um seine kleine Schwester kümmern, obwohl er selbst noch ein Kind war und ist. Keiner von euch beiden hat seinen schmerzerfüllten Blick gesehen, als er uns gestanden hat, dass er in einem Heim lebt. Ihr beide wart zu sehr auf Alice fixiert. Er leidet genauso wie seine Schwester, nur das er immer den Starke spielen MUSS, vor seiner Schwester. Bestimmt hat er niemanden, an den er sich lehnen kann. Und das ist traurig. Seine Schwester ist mit sich selbst beschäftigt, er will ihr nicht auch noch zur Lasten fallen und deswegen spielt er den Starken.
Wenn man es so betrachtet, verstehe ich seine Persönlichkeitsstörung. Edward will seine Schwester beschützen und vergisst dabei aber sein eigenes Leben… Aber nein, diese Aspekte vergesst ihr ja, Emmett Cullen und Jasper Hale. Lieber sprecht ihr schlecht über ihn, obwohl ihr keine Ahnung von seiner Vergangenheit habt, obwohl ihr seine Lebenslage nicht kennt“, meine Antwort trotze vor Sarkasmus. Beide angesprochen senkten den Kopf.
„Edward… Er hat sich anders verhalten, als ich mit ihm alleine war. Ich würde fast behaupten, dass er eine ganz andere Person war. Deswegen bin ich auch felsenfest davon überzeugt, dass er eine freundliche liebenswerte Person ist. Wahrscheinlich reagiert er auf Abwehr, gegenüber Fremden, weil er schlechte Erfahrungen gemacht hat. Aber das sind alles nur Vermutungen, die ich aufstelle. Ich kann schlecht sagen, ob es wahr ist oder nicht… Nur Edward kann es uns beweisen, deswegen gebt ihm eine Chance, bitte. Lernt ihn erst einmal kennen Emmett, Jasper. Glaubt mir, ihr werdet ihn mögen“, wand ich mich wieder den beiden zu.
„Ist okay Bella. Wir haben wirklich schlecht gehandelt. Es war falsch so schlecht über ihn zu reden. Entschuldigung. Ich verspreche dir, wir beide geben ihm eine Chance. Stimmst Jazzi?“ Emmett schlug dem Angesprochenen auf die Schulter.
„Ja, wir geben ihm eine Chance. Aber deswegen musst du mich nicht schlagen“, äußerte er sich. Emmett lachte auf bei seiner Aussage.
„Hmm… Bella an deinen Aussagen kann was dran sein. Wir werden sehen, was auf uns zu kommt. Esme und ich würde das alles gerne mit Edward und Alice klären, bevor was endgültig festgelegt wird. Sie haben das Recht alleine zu entscheiden, wo sie hin wollen. Deswegen schlage ich vor, dass wir heute nach Norderstedt fahren und es persönlich klären. Hat irgendjemand einen Einwand, wenn wir gleich fahren?“, fragte er nach.
Emmett hob seine Hand. Carlisle fing leise an zu stöhnen.
„Nimm deine Hand runter Sohn. Wir halten unterwegs irgendwo an und Essen Mittag. DU brauchst dir keine Sorgen zu machen!“
„Das wollte ich hören, Vater“, Emmett strich sich über den Bauch. Wir alle fingen an zu lachen.
Außer Rose, sie grummelte sich irgendwas zusammen.
Typisch Emmett, er brauchte was zu essen und Rosalie zum leben. Zu gerne würde ich wissen wie die Entscheidung ausfallen würde, wenn er sich zwischen Rosalie und dem Essen entscheiden müsste.
Eine Stunde später standen wir alle in der Garage. Emmett fuhr mit Rosalie in seinem neuen blauen Mercedes Cabriolet. Natürlich mit offenem Dach. Heute schien ja ausnahmsweise mal die Sonne. Was ein Wunder war. Es war zwar Sommer, aber ein total verregneter. Die Landwirte murrten schon rum, weil ihre ganze Ernte ruiniert war.
Wir andere fuhren mit Carlisles silbernem Mercedes. Ich setze mich wieder mit Jasper nach hinten. Es war mein Stammplatz mit Jasper.
Die Fahrt verlief still. Nur das Summen des Radios, war leise zu hören. Meine Gedanken wanderten zu Edward. Er war die letzten 2 Wochen ständig in meinen Gedanken gewesen.
Mich faszinierte seine Art. Er war ein wirklich anziehender Mann. Als ich ihm das Geschenk gemacht hatte, die CD, kam es mir so vor, als ob ich mit dem wahren Edward sprechen würde.
Flashback
Während ich meine Choreografie auf der Bühne von Norderstedt tanzte und in Edwards Augen sah, viel mir die Idee mit der CD ein. Als der Klavierspieler spielte, merkte ich, dass Edward klassische Musik liebte. Er lebte sie mit, spielte sogar mit seinen Finger mit. Das war eine Gemeinsamkeit, die wir beide hatten. Anscheinend spielte er klassische Musik am Klavier und ich tanzte sie. Als ich von der Bühne ging, rannte ich fast in den kleinen Umkleideraum und durchsuchte meine Tasche. Ich fand den gesuchten Gegenstand und hielt meine CD, die ich immer dabei hatte, falls was mit der Musik schief lief, hoch.
Dort waren ausschließlich klassische Lieder drauf. Ich schnappte mir meine Tasche und ging aus dem Raum heraus. Umziehen wollte ich mich nicht, ich hatte einen anderen Plan.
Hinter der Bühne warteten bereits die anderen auf uns. Alle gratulierten gerade Jasper, zu seinem gelungenen Auftritt. Außer Edward, er stand etwas abseits. Ich neckte ihn kurz mit einem Kommentar, den er erwiderte. Die anderen kamen zu mir und sagten, wie toll sie den Auftritt fanden. Besonders Alice war hellauf begeistert. Sie strahlte richtig.
Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Edward. Mit tänzerischen Schritten ging ich auf ihn zu und teilte ihm mit, dass ich ihm was zeigen wollte.
Mit etwas Murren ließ er sich nach draußen ziehen. Trotzdem verkniff er sich jeglichen Kommentar. Wahrscheinlich wusste er, dass er sowieso keine Chance hatte.
Als ich die Kälte der Nacht auf mir spürte, überzog sich mein Körper mit einer Gänsehaut. Aber es lag nicht nur daran, sondern Edwards Gesicht sah im Mondscheinlicht einfach unbeschreiblich aus.
Seine grünen Augen glänzten voller Geheimnisse, die ich aus ihm heraus kitzeln wollte.
Ich ließ Edwards Hand los und begann zu tanzen. Keiner bestimmten Choreografie nach, einfach nach Gefühl. Genau die Gefühle, die Edward in mir auslöste. Faszination, Vertrauen, Mitleid, Freundschaft und Verbundenheit.
Ich stoppte, als ich das Läuten der Kirchglocken hörte. Mit einen Lächeln gratulierte ich ihm und sah geradewegs in sein erschrockenes Gesicht. Nach einer kurzen Neckerei, gab ich ihm sein Geschenk.
Er sah mich voller Unglauben an. Trotzdem war dahinter auch ein anderes Gefühl, was mein Herz schneller schlagen ließ.
Seine Augen glühten voller Leben. Das Grün war so intensiv, wie noch nie zuvor. Edward war von einem auf den anderen Moment ganz anders, viel lockerer, viel sanfter.
Diesen Edward schloss ich sofort ins Herz. Ich wusste, dass es der wahre Edward war. Ein junger Mann, der sich in diesem Moment nicht hinter einer harten Mauer versteckte.
Gerade als er mir ein paar Schritte entgegen kam, hörten wir Stimmen nach uns rufen.
Sie klangen ganz nach Emmett und Esme. Ich seufzte leise. Edward sah mich grinsend an.
„Komm meine Ballerina, die anderen warten schon“, sagte er und hielt mir seine Hand hin.
Dieses Mal, war er es, der mich zu den anderen zog. Wir gingen gemeinsam zum Auto und fuhren zum Norderstedter Kinderheim. Edward beteuerte zwar, dass er und Alice auch alleine hinlaufen könnten, aber Esme duldete keine Widerrede.
Es war ganz ihre Art. Sie konnte „Kinder“ einfach nicht schutzlos durch die Nacht laufen lassen.
Wir fuhren etwa 10 Minuten, dann hielten wir bei einem großen Haus an. Es sah, soweit wie ich erkenne konnte, alt aus. Der Putz bröckelte an ein paar Stellen schon ab.
Eine Frau kam aus der Tür zu uns gelaufen. Es war Frau Cross, wie Esme uns mitteilte.
Gemeinsam stiegen wir aus und verabschiedeten uns von Alice und Edward.
Alice drückte mich heftig, dabei schluchzte sie kurz auf. Mein Freund und Tanzpartner, Jasper, nahm sie in den Arm und tröstete sie.
Edward, der die ganze Szene beobachtete, schloss schmerzlich die Augen. Ich nahm seine Hände in die Hand. Sie waren eiskalt, kälter als meine und das muss schon was heißen.
„Sie wird wieder leiden, wenn ihr weg seid“, flüsterte er mit schmerzverzerrter Stimme.
„Wir werden wieder kommen. Das verspreche ich dir, Edward“, schwor ich ihm und hielt ihm meinen kleinen Finger hin. Er sah mich kurz erstaunt an, seine Augen blitzten einen Moment auf.
„Okay, wir schwören, dass wir uns wieder sehen“, schwor Edward auch und hackte seinen kleinen Finger in meinen ein. Er fing an zu lachen, es war ein schönes echtes Lachen.
„Wie im Kindergarten.“ Er schüttelte den Kopf. Ich grinste ihn an und nickte.
„Kommt wir müssen langsam rein. Sonst gibt es Ärger mit Frau Meier. Sie war schon nicht begeistert, als ich ihr mitteilte, dass ihr den ganzen Abend weg bleibt“, erwähnte Frau Cross.
Ich nickte und legte meine Arme um Edward. Er erwiderte meine Umarmung. Als Frau Cross uns wieder hetzte, lösten wir uns voneinander. Wir sahen uns noch einmal in die Augen.
„Ich komme wirklich, versprochen“, flüsterte ich. Edward nickte, nahm seine Schwester in die Arme und ging ins Gebäude.
Er drehte sich an der Tür noch mal um und zwinkerte mir zu. Ich verdrehte die Augen. Die anderen fingen an zu Lachen.
Als die beiden nicht mehr zu sehen waren, huschten wir wieder ins Auto. Es war ziemlich kalt, was daran lag, dass ich immer noch mein Kleid an hatte.
Mit einem letzten Blick zum Gebäude, fuhren wir los.
Flashback Ende
Ich spürte, dass jemand mich rüttelte. Erschrocken öffnete ich meine Augen und sah geradewegs das Norderstedter Kinderheim an.
Verwirrt blickte ich mich um, dann wurde mir klar, dass ich eingeschlafen sein musste. Jasper lachte kurz auf. Er öffnete seine Tür und ging zu den anderen, die bereits draußen waren.
Ich tat es ihm gleich und ging auch zu den anderen. Unterwegs streckte ich mich und gähnte herzhaft.
Emmett grinste mich an. „ Na Schlafmütze, auch mal ausgeschlafen“, neckte er mich.
Ich nickte, erwiderter sonst nicht darauf. Das kleine Schläfchen stimmte mich Müde.
„Dad, auf was warten wir hier?“, fragte Emmett nach.
„Wir warten hier auf Alice und Edward. Eine Erzieherin ist bereits raus gekommen und hat uns mitgeteilte, dass sie die Beiden holen wird“, äußerte er sich darauf.
„Ah, da ist Edward schon“, bemerkte Esme.
Langsam drehte ich mich um und sah Edward. Er ging mit gesenktem Blick durch die Tür, seine Haltung war schlichtweg genervt.
Sein Anblick raubte mir, wie beim letzten Mal auch, den Atmen. Heute war er mit einer Jogginghose und einem weißen engen T-Shirt bekleidet. Das enge T-Shirt zeichnete seine Bauchmuskeln ab. Es waren nicht zu viel und nicht zu wenig. Seine Haaren waren mehr verwuschelt und wirkten leicht rötlich im Licht.
Ich schüttelte meinen Kopf, um wieder auf einen ordentlichen Gedanken zu kommen. Denn langsam fühlte ich mich, wie eine 14 Jährige, die gerade ihren Traumtypen entdeckt hat. Aber hey, Edward war das perfekte männliche Model.
Edward setze seinen Weg fort und hob seinen Kopf in unsere Richtung.
„Fuck, was macht ihr hier?“, zischte er erschrocken auf, als er uns entdeckte.
Ein Grinsen schlich sich auf mein Gesicht. Komischerweise hatte ich gerade dieses Wort vermisst, obwohl ich sonst nichts mit vulgärer Aufmüpfigkeit zu tun haben will. Es gibt einen besseren Ausdruck, die deutsche Sprache ermöglicht uns eine weite Ausdrucksmöglichkeit. Aber dieses Fuck, verband ich langsam mit Edward Masen. Er sagte es häufig und langsam fing ich an, es auch niedlich zu finden. Schwer zu glauben, aber war.
„Ach, Masen ich habe dich auch vermisst. Du brauchst nicht so erschrocken sein, dass wir hier sind. Wir wollen dir doch nur bei deinem schrecklichen Ausdruck helfen, damit du in Zukunft deinen Mitmenschen deine wahren Gefühle zeigen kannst. Mit diesem „Fuck“, wolltest du doch nur ausdrücken, dass es schön ist, dass wir hier sind“, neckte ich ihn leicht. Edward, der es sofort verstanden hat, fing breit an zu Grinsen. Es war mir immer noch ein Rätseln, dass wir uns so gut verstanden. Wir waren beide auf derselben Wellenlinie und verstanden die Ironie des
anderen. Ja, wir waren echt auf derselben Wellenlinie.
„Isabella, was reimst du dir wieder mal zusammen. Als ob ich, fucking Edward Masen, jemanden wie euch vermissen würde. Außerdem sprichst du das Wort „Fuck“ falsch aus, meine Liebe. Da gehört mehr Gefühl rein“, entgegnete er mit einem leichten Grinsen. Er kam auf uns zu gelaufen. Vor mir blieb er stehen. Sein Duft betörte mich.
„Hmm, weißt du Edward, obwohl ich wahrheitsgemäß sagen könnte ich hasse deine gespielte Arrogante Art, habe ich sie trotzdem vermisst. Selbst dein heißt geliebtes Wort ‚Fuck‘. Also kannst du jetzt ruhig auch zugeben, dass du mich vermisst hast und mich gefälligst umarmen!“, zischte ich ihn gespielt an und pieckste ihn leicht in seinen Bauch. Ich traf nur auf einen harten Muskel.
Edward fing an zu lachen und bückte sich leicht runter, um mich zu umarmen. Ich legte meine Hände an seine Seiten. Plötzlich legte er seine Hände an meine Oberschenkel und hob mich hoch. Dabei schwankten wir gefährlich hin und her.
„Edward lass mich runter“, schrie ich ihm fast ins Ohr. Ich klammerte mich an ihn. Als wir weiter schwankten.
„Oh, da ist wohl jemand ein Angsthase, oder eher ein Angstbambie!“ Er fing an zu lachen.
Dadurch wippte ich leicht und klammerte mich noch mehr an ihn. „Ehrlich Bella, ich habe dich fest im Griff, wortwörtlich. Und außerdem müsstest du doch so was gewohnt sein, du bist doch Ballerina. Jasper hebt dich bei verschiedenen Figuren auch hoch. Dort bist du nicht so ängstlich“, meinte Edward und schaute mich an. Ich erwiderte seinen Blick und versank in seinen wunderschönen grünen Augen.
Seine Augen waren wunderschön, sie zeigten so viele Emotionen. Dieses Grün, sanft und friedlich, aber trotzdem mit einem eigenartigen Glanz. Ich könnte ihn die ganze Zeit so ansehe, er war sich seiner Schönheit gar nicht bewusst. Aber dafür ich, er sah einfach atemberaubend aus und sein wahres Ich, dass er selten zeigte, war bestimmt genauso.
Plötzlich räusperte sich jemand und wir fuhren auseinander. Fast hätte ich traurig gewimmert, als Edward seinen Blick von mir abwendete und mich auf dem Boden absetzte. Er schaute zu Carlisle, der der Verursacher des Geräusches ist.
Edward wirkte im ersten Moment verwirrt. Dann kam er wieder zur Fassung und ging entschlossen zu Carlisle.
„Entschuldigung, für das gerade eben. Es war ziemlich unhöflich von mir. Ich bin Edward Masen, wie Sie bestimmt bereits wissen. Wer sind sie?“, stellte er sich vor und hielt Carlisle seine Hand hin.
„Das ist doch kein Problem. Ihr scheint euch ja ziemlich gut zu verstehen. Es ist nur ziemlich ungewöhnlich, sonst versteht sich Bella nicht so gut mit fast „fremden“ Jungs. Ich bin Carlisle Cullen. Der Ehemann von meiner bezaubernden Esme, die du bereits kennengelernt hast“, entgegnete Carlisle und schüttelte Edward die Hand. Beide grinsten sich verräterisch an.
Ich konnte nur mit den Augen rollen, die beiden scheinen sich auf eine eigenartige Weise zu verstehen.
Edward ging die Runde weiter und begrüßte alle. Esme begrüßte er mich einem Lächeln und einem Händedruck. Jasper und Emmett mit einem Handschlag. Die 3 verstanden sich besser als beim letzten Mal. Was wahrscheinlich nur an meiner Ansage lag.
Bei Rosalie verlief die Begrüßung etwas verkrampft. Was ich bereits vorhergesehen hatte. Rose war wie immer, sehr elegant und pompös angezogen. Genau, das was Edward nicht mochte. Er sah das, was er niemals haben konnte.
Klar, Edward war wieder so oberflächlich, das was wieder durchaus falsch war. Aber Rosalie müsste den Anstand haben, dass man sich für ein Treffen in einem Kinderheim nicht so auftakeln musste, schon gar keine Markenklamotten. So gern ich sie auch habe, es war trotzdem einfach unhöflich und teils respektlos gegenüber Edward und den anderen Heimkinder.
Edward gab ihr kurz die Hand, sah sie aber total arrogant und abgeneigt an. Ich konnte förmlich erkennen, dass er Vorurteile ihr gegenüber hegte. Rosalie reagierte darauf und gaffte ihn, als arrogantes Arschloch, an.
Carlisle reagierte schnell, ehe die Situation völlig aus der Bahn lief. Er belehrte die Beiden, dass sie sich anständig benehmen sollten. Beide flüsterten nur eine Entschuldigung. Blickten sich trotzdem angriffslustig an.
„Ähm, vielleicht sollten wir jetzt reingehen. Deine Schwester, Alice, ist immer noch nicht rausgekommen. Vielleicht hat sie ja noch nicht gehört, dass wir da sind. Es wäre unfreundlich es ihr vor zu enthalten“, äußerte ich mich, um die Stille zu unterdrücken.
Alle waren damit einverstanden. Besonders Jasper, er nickte heftig und zog mich fast ins Haus.
Er war echt ein total verknallter Liebesbetrunkener. Schon seit 4 Wochen schwärmte er von ihr. Selbst beim Training war er so unkonzentriert. Was mich manchmal ziemlich störte.
Edward führte uns rein und zeigte uns die einzelnen Räume. Vor einer Tür, in einem dunklen Gang, blieben wir stehen. Auf der Tür standen die Namen von Edward und Alice. Er klopfte an die Tür, als es keine Antwort gab, öffnete er die Tür. Ich erschrak heftig und versteinerte dann augenblicklich.
„Fuck, was soll der Scheiß?!“, brüllte Edward und stürmte ins Zimmer rein.
Ich stand wie angewurzelt immer noch am selben Fleck und musste das Bild, was mir grade geboten wurde, erstmal aufnehmen. Alice lag dort auf einem Bett und ein Junge hatte sie in seiner Gewalt. Er hatte seine Hände auf Alice Brust liegen, dabei küsste er sie. Gegen ihren Willen. Ich sah die Tränen die über Alice Wangen liefen und das sie fest die Augen zusammengekniffen hatte. Edward zog den Jungen mit Kraft von ihr weg und schleuderte ihn an die Wand. Ein Nachtschränkchen kippte um. Er nahm ihn ins Visier und schlug ihn noch mal heftig.
Gerade als der Junge zurück schlagen wollte, stürmten Jasper und Emmett ins Zimmer. Jasper hielt Edward zurück und Emmett nahm den anderen Jungen in den Schwitzkasten.
Carlisle, Rosalie und ich gingen auch ins Zimmer, zu der schluchzenden Alice und Esme holte Hilfe. Als Alice ihre Augen leicht öffnete, schrie sie kurz auf und als sie mich erkannte, klammerte sie sich an mich. Sie fing bitterlich an zu heulen. Ich strich über ihren Rücken und bot ihr Schutz.
Mein Blick war auf Edward geheftet, der immer noch den fremden Jungen gefährlich anfunkelte.
Plötzlich ertönte eine aufgeregte fremde Stimme. Eine Erzieherin kam eifrig ins Zimmer herein, ging an mir vorbei und positionierte sich vor den Jungs.
„Was ist hier schon wieder los? Kann ich euch nicht mal 5 Minuten alleine lassen, ohne das ihr was kaputt macht?“, meckerte sie los. Sie stemmte ihre Hände an ihre Seiten.
Die Jungen schienen sie im ersten Moment gar nicht zu beachten.
„Ach, immer dasselbe mit euch. Ihr könnt euch nur wie total hirnlose pubertierende Teenager benehmen. Besonders du Edward, müsstest doch endlich Erwachsen werden“, tadelte sie weiter.
„Ähm Maám, aber Edward hat den Kerl nur von seiner Schwester los gerissen. Er wollte Alice, Edwards Schwester, körperlich anfassen, gegen ihren Willen“, versuchte Jasper die Lage zu schildern. Vergebens.
„Ach…für die Kinderfaxen habe ich jetzt keine Zeit. Jeder beschuldigt jeden und am Ende hat doch niemand Schuld. Wenn ich wieder diesen Raum betrete, ist alles wieder ganz. Und Edward, du bekommst für dein Fehlvergehen, eine Woche Ausgehverbot!“, entgegnete sie entgegen den Sachverhalten.
Ich schüttelte verwirrt meinen Kopf. Das kann nicht wahr sein… , dass sie so reagiert.
„Fuck, ich habe ihn doch nur von meiner Schwester weggerissen, weil JAMES sie wieder begrabscht hat? Aber nein, dass darf man ihn diesem beschissenen Heim nicht. Ich soll ja mit ansehen wie er meine Schwester vergewaltigt… Dabei lächeln, ja alles ist super. IMMER, wirklich immer werde ich bestraft“, brüllte Edward. Ich zuckte heftig zusammen.
„Nicht in so einem Ton, Masen“, betonte sie streng.
Plötzlich hörte ich das Weinen, wie bei einem Baby.
„Nun jetzt benehmt euch. Ihr habt Gäste. James geh du auf dein Zimmer und lass Edward in Ruhe. Sonst bekommst du auch noch Ausgehverbot“, bestimmte sie und ging dann wieder.
Unterwegs begrüßte sie mich herzlich.
Der Angesprochene nickte und grinste gemein. Dafür wurde er von Emmett weg geschubst. James, wie der Junge glaub ich hieß, stolzierte aus dem Raum.
Als er außer Reichweite war, atmete ich hörbar die Luft aus.
Jasper nahm mir die schluchzende Alice aus dem Arm. Emmett gesellte sich zu uns und strich ihr beruhigen über den Rücken. Nur Edward blieb, immer noch bebend, an seinem Fleck stehen.
„Edward…Mein Junge“, flüsterte Esme ihm zu. Sie wollte zu ihm gehen, doch dazu kam es nie.
Er drehte sich zu uns um. Seine Augen waren Schwarz vor Wut.
„Verschwindet... Verschwindet. VERSCHWINDET ALLE! RAUS AUS DIESEM ZIMMER. IHR ELENDEN VERRÄTER“, grölte er uns entgegen. Er nahm ein Buch ihn die Hand und scheuerte es gegen die Wand.
„Wir sollten Alice hier raus schaffen. Edward hat einen Wutanfall. Er könnte gefährlich werde. Deswegen sollten wir seiner Bitte nachgehen“, flüsterte Carlisle uns leise zu. Ich sah an seinem Gesichtsausdruck, dass die Lage ernst war.
Jasper hob Alice hoch. Sie klammert sich sofort an seine Brust. Mit einem schweren Blick zu Edward, ging ich als letzte aus dem Raum und schloss die Tür.
Mein Herz fühlte sich schwer an. Als ob, dass was ich tat, vollkommen falsch ist. Wir gingen in die Küche, die um die Uhrzeit verlassen war. Das Heim war erschreckend still. Nur Alice schluchzen nahm ich war.
Jasper setze sich mit Alice auf einen Stuhl und strich ihr beruhigend über den Rücken. Carlisle und Esme kümmerten sich auch um Alice. Was etwas zu helfen schien, sie beruhigte sich wenigstens etwas.
Rosalie setze sich auch hin und sah mit einem traurigen Blick zu Alice. Emmett ging wild hin und her und raufte sich die Haare. Ich dagegen, stand an der Tür und dachte an Edward.
ER war jetzt alleine. Musste mit seinen Gefühlen wieder alleine klar kommen. Gerade als ich einen Entschluss gefasst habe, dass ich wieder zu ihm gehe, kam eine nervöse Frau Cross rein.
„Oh. Guten Tag, ich hätte nicht gedacht das ihr so schnell kommt“, sagte sie und ihren Blick schweifte durch den Raum. Ihr Blick blieb an Alice hängen.
„WAS ist passiert? War es schon wieder James?“, fragte sie aufgebracht. Ich schloss schmerzerfüllt meine Augen.
Schon wieder…. Das bedeutet, dass das wohl kein einmaliges Erlebnis gewesen sein muss… Der Gedanke trieb mir Übelkeit in den Magen…
„Ja… Der Junge namens James, hat sie angefasst. Sie beruhigt sich nur schwer. Wir konnten wenigstens das schlimmste verhindern“, antwortete Carlisle sachlich.
„Es tut mir leid, dass sie das mit ansehen mussten. Verstehen sie jetzt, warum die beiden lieber in einer Pflegefamilie leben sollten. Dieses Kinderheim ist ein schrecklicher Ort für Beide. Sie wurden von niemandem akzeptiert“, erläuterte sie mit einer belegten Stimme.
„Diese Erkenntnis, von ihnen, kommt ja ziemlich zeitig“, erwiderte ich voller Sarkasmus.
„Isabella“, warf Esme ein und sah mich sträflich an.
Ich sah sie an. „Esme, du siehst wie BEIDE leiden. Sie leben schon seit 10 Jahre hier, seit ihrer Kindheit. Wahrscheinlich haben sie kein Stück Liebe und Aufmerksamkeit bekommen. Wie soll man unter dieser Erkenntnis bitte ruhig bleiben? Entschuldigung, aber es ist für mich unbegreiflich, wie man so lange Zeit nur daneben stand und nichts dagegen getan hat, Frau Cross. Sie sind eine Pädagogin. Eigentlich müssten sie wissen, wie wichtig die Kindheit für einen Menschen ist. Das was Alice und Edward anscheinend als Kindheit erlebt haben, kann man nicht gerade als schön bezeichnen. Beide werden ein Leben lang damit klar kommen müssen, sie werden sich immer damit konfrontieren müssen…. Es ist doch einfach nur grausam, dass sie das nicht eher verhindert haben?“, redete ich mich in Rage. Ich spürte die Tränen in mir aufsteigen. Menschlicher Schmerz von anderen Leuten, ging mir sehr unter die Haut. Besonders der von Alice und Edward. Er war meinem Schmerz so unbegreiflich nah.
Ich wischte mir die Tränen weg und sah jeden einzelnen im Raum an. Alle sahen mich geschlagen an. In manchen Blicken fühlte ich Mitleid.
Langsam senkte ich meinen Kopf und atmete tief durch.
„Entschuldigung, dass ich über sie geurteilt habe. Ich weiß, dass es in erster Linie falsch war. Trotzdem, bleibe ich bei meiner Meinung, dass sie eher nach einer Lösung hätten suchen müssen. Aber ich bin ihnen dankbar, dass sie sich jetzt durchgerungen haben. Danke.
Ich gehe zu jetzt zu Edward. Er sollte jetzt nicht alleine sein“, äußerte ich und drehte mich um. Mit schnellen Schritten ging ich aus der Küche. So schnell wie möglichst wollte ich zu Edward. Der Schmerz der wegen ihm in meinem Herzen herrschte, wuchs und wuchs. Je klarer mir wurde, WIE er hier lebte.
Ich ging den Gang entlang in Richtung Edwards und Alice Zimmer. Wie aus dem nichts öffnete sich eine Tür und James trat vor. Er sah mich direkt mit seinen eisblauen Augen an, sie wirkten so eisig und bösartig. Plötzlich klatsche er mir mit einer schnellen Bewegung auf meinen Po und fing an zu säuseln: „Na Süße, wo willst du denn hin? Nicht etwa zu dem Loser Masen. Komm sei doch ehrlich, so eine heiße Schnecke wie du, verdient was Besseres wie Masen. In Wahrheit ist er doch nur ein erbärmlicher kleiner Junge.“ Er lächelte mich absolut arrogant und selbstsicher an.
Im ersten Moment blieb ich nur erstarrt stehen. Die Wörter wiederholten sich in meinem Kopf und mir wurde bewusst, was er sagte.
Wie aus einem Reflex heraus, holte ich mit meinem Knie aus und traf ihn direkt in der Mitte. Er stürzte zu Boden und jammerte.
Ich bückte mich leicht runter und säuselte mit meiner zuckersüßen Stimme:
„Weißt du James, genau auf den Boden gehörst du. Edward besitzt wenigstens so was wie Anstand und einen Verstand. Was für dich wohl nur Fremdbegriffe sind. In Wahrheit bist DU doch nur ein niederträchtiger, hirnloser Idiot, der denkt, er wäre cool, wenn er so niveauloses Zeug von sich gibt. Mit jemanden wie dir, werde ich nicht sprechen. DAS Süßer, ist unter mein Niveau“, zischte ich und durchbohrte ihn mit meinem Blick.
James Gesicht verfinsterte sich und er stand wieder auf. Er baute sich vor mir auf. Innerlich seufzte ich.
„Ach, komm James. Willst du jetzt etwa ein wehrloses Mädchen schlagen, nur weil ich dir mal die Wahrheit sagt? WEIL einer den Mut hat, dir die Wahrheit vor Augen zu führen? Wage jetzt ja nicht deine dreckige Hand auf mich zu legen, das wird Konsequenzen haben. Frau Cross kennt mich und würde dafür sorgen, dass du bestrafst wirst und das nicht gerade milde“, drohte ich ihm.
Ich sah wie er sich versteifte. Wir sahen uns immer noch in die Augen. Ich dachte gar nicht daran, wegzuschauen. Er sollte es mal spüren, dass auch andere die Macht haben können.
Plötzlich stürmte er wieder ins Zimmer rein, wie ein feiges Hündchen, das den Schwanz einzieht.
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Was für ein erbärmliches, feiges und abartiges Verhalten James hat.
Noch einmal kurz blickte ich zur Tür, wo James rein gestürmt ist. Von dort kam aggressive Musik, oder besser gesagt Rap Musik. Ich schüttelte meinen Kopf. Nicht mal Musikgeschmack hatte er.
Ich setzte meinen Weg fort und klopfte an Edwards Zimmertür.
Im ersten Moment machte Edward keine Anstalten, mir die Tür zu öffnen. Gerade als ich wieder klopfen wollte, öffnete er die Tür.
Seine Haltung war angespannt, sein Kiefer fest aufeinander gebissen und seine grünen Augen wirkten bedrohlich und funkelten vor Zorn.
„WAS, willst du hier? Hast du meine Wörter nicht verstanden? Soll ich es dir buchstabieren? Ich. Will. Meine. Scheiß. Ruhe. Haben. Vor allem und jedem. Auch vor dir, Isabella. ALSO VERSCHWINDE!“, brüllte er mich an. Seine Hände ballte er dabei zu Fäusten.
„Edward“, fing ich ganz ruhig an. Meine Stimme war neutral, genauso wie mein Gesichtsausdruck.
„Es tut mir leid, was gerade geschehen ist. Ich verstehe, dass du aufgebracht bist. Aber ich werde es nicht akzeptieren, dass du dich den anderen gegenüber verschließt. Es tut DIR selbst nicht gut. Und deswegen bleibe ich hier“, ich schlängelte mich durch die Tür und blieb demonstrativ mitten im Zimmer stehen.
Edward, der immer noch an der Tür stand, war im ersten Moment geschockt. Als er realisiert hat, was passiert ist, drehte er sich um. Mit angespannter Haltung ging er in meine Richtung. Am Rande bekam ich mit, dass seine Fäuste bedrohlich zittern.
„FUCK, was soll der scheiß ISABELLA!?“, brüllte er mich an und griff nach dem nächst Besten und schmiss es weg. Es knallt direkt an die Wand und zerbrach in Einzelteile.
Ich zuckte verräterisch. Aber riss mich wieder schnell zusammen. ICH müsste jetzt stark sein für ihn. Für seine verletzte Seele. Auch wenn ich wahrscheinlich damit rechnen muss, dass ich seine ganze angestaute Wut abbekommen. Ich würde es wenigstens versuchen. Probieren geht über studieren.
„Edward, beruhige dich. Bitte. Lass deine Gefühle anders raus. Rede über sie, aber verstecke sie nicht hinter deine Wut. Lass dir bitte helfen…. Rede mit mir, über deine Gefühle, bitte“, flehte ich ihn an. Meine Stimme klang der Verzweiflung nahe.
„DU willst mir helfen? Gerade du? Der Mensch, der ein perfektes geregeltes Leben hat. DU kannst deine Träume erreichen und wirst von deinen Mitmenschen anerkannt und respektiert, bist nicht das schwarze Schaf, der Sündenbock, der in keine Gesellschaft hineinpasst und deshalb hin und her geschoben wird. Und DU musst nicht mit ansehen, wie deine eigene Schwester langsam unter diesen Verhältnisse verkümmert und du nichts machen kannst, weil du selbst zu schwach bist. Isabella, lebe in deiner perfekten Welt weiter. Erreiche deine Träume. Aber lass mich in Ruhe. Ich brauche dein vorgetäuschtes Mitleid nicht. Ihr Menschen seid doch alle gleich. Egoistisch, gierig, neidisch, zornig, gefräßig, machtsüchtig, unehrlich und betrügerisch“, zischte Edward, halb wütend und halb traurig.
Ich seufzte leise und versuchte ruhig zu bleiben. Ich verstand ihn vollkommen. Sein hartes abweisendes Verhalten anderen Menschen gegenüber. Sogar, dass er mich beleidigt hatte, konnte ich verstehen. Indem er mich fertig gemacht hatte, hatte er seinen eigenen Hass auf sich selbst wieder gespiegelt.
Dieses grausame Gefühl nichts wert zu sein, verfolgte meine halbe Kindheit. Für meine eigene Mutter, bin ich das ganze Leben schon ihr persönlicher Sündenbock gewesen. Egal, was sie tat, ich war dran schuld, weil ich einfach existiere. Aber DAS war jetzt unwichtig. Edward war wichtiger. Er brauchte jetzt meine Hilfe. Jetzt wo er endlich über das spricht, was er denkt. Einen kurzen Moment schaute ich noch auf den Boden, ich rang um Fassung. In Gedanken zählte ich bis 10. Mit neuem Mut hob ich meinen Blick und sah im fest in die Augen.
„Edward, alle Menschen haben die Eigenschaften, auch du. Aber können Menschen auch freundlich, hilfsbereit, fürsorglich, verständnisvoll, liebevoll, geduldig und rücksichtsvoll sein. Nicht alle Menschen besitzen all diese Eigenschaften, aber einige. An die musst du dich wenden. Sie werden dir helfen. Ich werde dir helfen. Edward bitte, geb nicht so einfach auf und verstecke dich nicht hinter einer aggressiven Hülle. Alice und du, ihr seid Menschen mit einem großen Herz. Ihr beide habt so ein Leben nicht verdient… Es ist schwer Vertrauen zu fassen, zu einem fast fremden Menschen. Das ist mir klar. Aber wie heißt es so schön ‚probieren, geht über studieren‘. Jetzt sind Leute da, die euch endlich aus dieser Situation helfen wollen. Jasper, Emmett, Esme, Carlisle und ich, werden euch helfen hier raus zu kommen. Das wollen wir aber nicht, weil wir euch schaden wollen. Nein, wir machen es freiwillig, wir wollen, dass es euch hier drin nicht mehr so sehr weh tut“, ich legte meine flache Hand auf sein Herz. Für einen Moment war er erstarrt.
In nächsten Moment fing er an zu beben, sein ganzer Körper zitterte. Mein Verstand sagte mir, dass ich fliehen sollte. Ganz weit weg, mich in Sicherheit bringen sollte. Aber mein Herz wusste, dass ich hier hin gehörte. Ich werde ihn nicht im Stich lassen. Niemand war für ihn da. Jahrelang war er alleine und musste sich um seine kleine Schwester kümmern. ER musste seinen eigenen Kummer weg stecken, weil er niemanden belasten wollte. Deswegen baute er eine Mauer auf, eine Mauer voller Gewalt und Brutalität. Wenn sich niemand gegen sie stellen wird, würde es nicht besser werden. Mein Herz zwang mich an Ort und Stelle zu bleiben, für Edward, einen Menschen den ich sehr gerne habe.
„LASS MICH VERDAMMT NOCHMAL IN RUHE. Du laberst von guten Eigenschaften? Gerade du? DU bist doch auch nicht besser, als die anderen. Laberst mich mit deinem Psycho-Quatsch zu. Willst mich nur beeinflussen, so dass ich dir zu Füßen liege und du mich dann verletzten kannst. Aber, dass lass ich nicht zu. DU lässt mich jetzt mit der verdammten Scheiße in RUHE und verschwindest aus meinem FUCKING Leben“, brüllte er und schubste mich an die Wand.
Ich knallte heftig dagegen und spannte mich an. Pures Adrenalin floss durch meine Adern. Mein Kopf pochte wild und dröhnte leicht.
Mir wurde die Gefahr bewusst, die von Edward ausging. Er hatte seinen Wutausbruch nicht im Griff. Wenn ich ihn noch mehr reize, werde ich wohl brutal zusammen geschlagen. Seine Gefühle sind zu unkontrolliert und er ist dabei seine eiserne Mauer herunter zu fahren.
Trotzdem werde ich nicht aufgeben. Isabella Marie Swan gibt nie auf. Selbst wenn ich es riskiere eins auf die Nase zu bekommen. Mit meinen Augen suchte ich Edwards. Seine grünen Augen waren Wut verschleiert und wirkten leicht schwarz. Eine Weile schauten wir uns stillschweigend an, ich bemerkte wie langsam die Wut aus seinem Blick wich.
„Ich werde dir helfen“, sagte ich und er fing an zu beben. Heiße Tränen stahlen sich aus seinen grünen Augen. Die ganzen Emotionen, die er versucht hat zu unterdrücken, kamen heraus.
„Edward… “, stieß ich nur aus, und dann trat ich auf ihn zu und schlang meine Arme fest um ihn, zog ihn an mich und zog sein Gesicht herab, um es an meiner Halsbeuge zu vergraben..
Beruhigend strich ich ihm über den Rücken und merkte wie seine Anspannung nach lies. Eine Weile blieb er noch regungslos stehen, dann löste er sich von mir.
„Danke“, nuschelte er und kniff seine Augen zusammen.
Mir wurde klar, dass er wieder mit seinen Emotionen kämpfte. Er sah geschlagen aus und seine Gesichtszüge wirkten traurig.
„Das ist doch selbstverständlich“, flüsterte ich ebenso leise und lächelte in mich hinein.
Edward öffnete seine Augen und sah mich an.
„Ich…Entschuldigung, Bella. Ich wollte dir nicht weh tun“, sagte er leise. In seinem Blick lag pure Reue.
„Edward, es ist schon okay. Es wird nur eine kleine Beule werden. Nichts Ernstes.“
Er nickte und sein Blick heftete sich auf den Boden. In dem Moment wo er hier stand, war er der echte Edward. Das gebrochene Kind, das ein Leben voller Schmerz hinter sich hatte.
Ich bemerkte wie mir die Tränen hochstiegen, versuchte sie aber zu unterdrücken. Tränen von meiner Seite waren unangebracht.
Mit einer schnellen Bewegung griff ich nach Edwards Händen und strich über sie. Seine Hände waren eisig kalt und noch angespannt.
„Wir beide bekommen es schon hin, dass verspreche ich dir“, versicherte ich ihm.
Edward hob seinen Blick und sah mich mit unergründlicher Miene an. Ich stand genauso wie Edward da, nur mit dem Unterschied, dass ich meinen Blick nicht abwenden konnte. Seine grünen Augen zogen mich in einen eigenartigen Bann, der mich alles vergessen ließ.
„Bella“, hauchte er mir entgegen. Sein Duft betörte mich nur noch mehr.
„Fuck…Glaub mir, ich habe in meinem verdammten, kurzen Leben schon eine Menge Menschen kennen gelernt, aber noch nie jemanden wie dich. Die meisten sind einfach nur oberflächlich und sehen nur das Äußere, aber du siehst auch das Innere. Obwohl du die totale Angeberin sein könntest, bist du trotzdem noch bescheiden und nimmst dir eigentlich nicht viel von alldem. Für dich zählt nicht der Ruhm, sondern einfach die Glückseligkeit… Du hast gezeigt, dass nicht alle Menschen schlecht sind. Du bist der lebende Beweis dafür. Bella, danke, dass du einfach du bist“, er beendete seine Rede und lächelte mich mit seinem schiefen Lächeln an.
Ich öffnete meinen Mund und wollte was sagen, aber kein Ton kam heraus. Nicht nur, dass er mich mit seiner Anwesenheit betört, nein jetzt auch noch mit lieblichen Wörtern.
„Woah, habe ich die große Ballerina, sprachlos bekommen?“, hackte Edward amüsiert nach.
Ich nickte und schüttelte meinen Kopf. Rang um Fassung.
„Auf keinen Fall, nein. Ich war nur so erschrocken, darüber, dass du so was sagen kannst. Nimm das jetzt nicht persönlich, bitte. Aber bis gerade eben, warst du noch ein vorlauter Junge“, erklärte ich ihm und schaute dabei verlegen auf den Boden. Ich fühlte wie meine Wangen rot wurden.
„Ich weiß was du meinst. Glaubst du mir, wenn ich sage, dass ich eigentlich gar kein Arschloch sein will. Eigentlich bin ich eine sehr sentimentale Person, die eher Ruhe und Frieden will. Okay, ich war eine sentimentale Person…Jetzt nicht mehr“, gestand Edward in einem traurigen Ton.
Jeder Blinde sah, dass Edward unter seiner Veränderung litt. Er wollte ein ganz anderer sein, aber seine Blockade hinderte ihn selbst dran.
„Du bist immer noch der sentimentale ruhige Junge, Edward. Das warst du schon immer“, ermutigte ich ihn und sah ihn dabei an. Ein echtes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. Einen kurzen Moment war es still. Keineswegs erdrückend. Es war ein Moment des Einklangs.
Ich nutze die Gelegenheit, um mich ein bisschen im Zimmer umzuschauen. Es war nicht groß und bestand aus alten Holzmöbeln. Aber ein Gegenstand nahm meine Aufmerksamkeit ein: ein altes Keyboard. Es stand ganz unscheinbar in der Ecke.
Edward der meinen Blick bemerkte, folgte meinem Blick und fing an zu Grinsen. Er nahm meine Hand und zog mich zu dem Keyboard.
Er setze sich auf die Bank und klopfte auf den Platz neben sich. Ein Zeichen, dass ich mich auch setzen sollte. Ich lächelte ihn zaghaft an und nahm Platz.
„Es ist mein Keyboard, wie du bestimmt schon gedacht hast. Seit meiner frühsten Kindheit besitze ich es schon. Dem entsprechen ist es schon sehr alt und leicht verklungen, aber seinen Zweck erfühlt es“, erklärte er mit einer neutralen Stimme und strich über die Tasten.
„Spiel etwas“, forderte ich ihn auf.
Er seufzte leise. „Hast du einen besonderen Wunsch?“, hackte er flüsternd nach.
Ich schüttelte meinen Kopf.
„Ich will das Stück hören, was dir durch deinen Kopf geht, Edward.“ Ich lächelte ihn an.
Er erwiderte mein Lächeln und sah mir einen Moment in die Augen. Als nächstes wand er sich zum Keyboard. Seine Hände legte er auf die Tasten, dabei schloss er seine Augen.
„Wie es die Dame will“, flüsterte er kaum hörbar.
Er fing an zu spielen. Eine unbekannte Melodie schoss durch den Raum. Ich schloss meine Augen und nahm die sanften Klänge auf.
Harmonisch, Traumhaft, grandios, fantastisch, unglaublich, mirakulös. Diese Wörter schossen mir durch meinen Kopf.
Das Stück gab einem ein Gefühl von Glück, Vertrauen und Freiheit. Die perfekte Symphonie. Jeder Ton harmonierte mit den anderen. Es verzauberte mich, dieses Lied, ein ganz besonderes Stück.
Edward war sich seines Werkes sicher. Er spielte sensationell. Sein Handwerk war fließend, selbst mit geschlossenen Augen. Jeder Ton, jeder Griff saß perfekt. Dazu strahlte er noch eine Ausstrahlung aus, die mich verzauberte.
Jeder Blinder konnte sehen, dass das Klavierspielen, sein Element war. Seine Begabung und sein Leben.
Er lebt jeden einzelnen Ton, jeden einzelnen Takt aus.
Das Stück endete mit einem sanften, leisen Ende. Die letzten Töne drangen durch den Raum und umrahmten diesen Moment.
Edwards Lächeln war immer noch nicht verschwunden. Worüber ich sehr froh war. Es war selten, dass er so Lächelte, dass wusste ich. Aber dieses Lächeln, war einfach zu Schade dazu, um es verkümmern zu lassen.
Ich liebte dieses Lächeln bedingungslos, vom ersten Augenblick an. Er zeigte es mir, bei meinem Ballettauftritt, vor 3 Wochen. Ich konnte in dem Moment, nicht meinen Blick von ihm wenden.
Sein Lächeln zeigt pures Leben, Glück und Liebe. Er musste so viel durchmachen, trotzdem war es so rein, so voller Leben. Ich erkannte schnell die reine Seele von Edward, seine Probleme, die er mit sich selbst hatte.
Wir waren uns beide so ähnlich und doch verschieden.
„Und? Wie fandest du es?“, fragte er in die Stille hinein, die uns umgab.
„Hmm..“, überlegte ich leise und suchte nach den passenden Wörtern.
Meinen Kopf lehnte ich dabei an seinen Körper.
„Zum einen faszinierend. Und zum anderen überwältigend. Ich habe schon viele Stücke gehört, aber das ist das Beste, was ich je gehört habe, was ich gefühlt habe, Edward. Du bist so unglaublich talentiert. Begeisterst deine Mitmenschen durch die Musik, mich jedenfalls. Ich danke dir sehr Edward, für diesen kostbaren Moment, der Harmonie…“, offenbarte ich ihm und schloss wieder meine Augen.
„Wie heißt das Stück eigentlich? Es ist mir unbekannt“, hackte ich mit Interesse nach.
„Shining Smile“, antworte er schlicht.
Ich öffnete meine Augen.
„Bezauberndes Lächeln?“ Es ließ mich Lächeln. Meine Augen versanken wieder in seinen.
„Genau, bezauberndes Lächeln oder auch strahlendes Lächeln. Das Stück ist von Yiruma. Er ist ein sehr bekannter Pianist.
Shining Smile ist eins meiner Lieblingsstücke. Die einfache Melodie, sagt so viel aus. Gibt so viele Gefühle des Menschen wieder. Es erinnert mich immer daran, dass eine Person die einem am meisten bedeutet, lächelt. Ein einfaches Lächeln, was trotzdem so viel für einen bedeutet. Denn dieses Lächeln bedeutet Liebe, Harmonie, Glück und Frieden“, erwiderte Edward, dabei sahen wir uns weiter hin an.
„Du hast Recht, dass habe ich mir auch vorgestellt, obwohl ich den Titel noch nicht kannte… Edward ich bin wirklich zutiefst beeindruckt. Nicht nur wegen dem Stück, sondern auch wegen dir. Hinter deiner harten Schale, steckt eine wunderbare Person.“
„Danke Bella.“ Er lächelte sein Lächeln. Seine Augen glühten, wie noch nie zu vor. Die Intensität verschleierte meine Gedanken und mein Tun. Ich war zu nichts mehr fähig.
Ein plötzliches Klopfen, ließ diesen Moment verkümmern. Edward und ich zuckten verräterisch zusammen.
„Edward, Bambi ich soll euch beide holen. Wir wollen doch noch was besprechen, dass weißt du doch Bella“, übermittelte uns Emmett, der auf der anderen Seite der Tür stand und noch mal energisch klopfte.
Neben mir seufzte Edward, leicht ärgerlich? Ich konnte es nicht so richtig einordnen. Er fuhr sich durch seine Haare, wodurch sie noch unordentlicher lagen.
Ich fing leise an zu kichern. Ihm stehen buchstäblich die Haare zu Berge.
„Okay, Teddy wir kommen“, rief ich Emmett zurück. Mit einer schnellen Bewegung stand ich auf und nahm Edwards Hand. Wie vor 3 Wochen zog ich ihn voller Tatendrang zur Tür hinaus.
Emmett sah uns mit einem ungläubigen Blick an, als wir aus der Tür schritten.
Ich grinste ihn an und schnappe seine Hand mit meiner anderen Hand. Beide Jungs zog ich hinter mir her. Emmett fluchte leise und Edward versuchte ihm beizubringen, dass es eh nichts brachte. Es war zwecklos.
In der Küche, wo die anderen versammelt waren, blieb ich stehen. Für die anderen bot sich sicherlich ein komisches Bild, wie wir 3 in der Küche ankamen, dass sah ich an ihren Gesichtern.
Rosalie und Alice lachten, aus tiefstem Herzen und gaben Kommentare ab wie: „Na, Bella hast du deine Jungs in Griff?“
Ich konnte nur kräftigst nicken und mit den beiden Mädels Lächeln. Es war schön mit anzusehen, dass Alice wieder fröhlicher war. Jasper hatte sein Ziel erfolgreich erreicht. Aber was anderes hatte ich auch nicht von ihm erwartet. Er war Alice völlig verfallen und musste ihr einfach helfen.
Als ich mich wieder beruhigt hatte, sah ich mich noch weiter im Raum um. Jasper und Esme lächelten mich an. Und Carlisle und Frau Cross, sahen mich mit einem nicht definierbaren Blick an.
Edward und Emmett lösten sich derweil von meiner Hand.
Emmett ging demonstrativ zu seiner Freundin Rosalie und nahm sie in den Arm und Edward zu seiner kleinen Schwester. Er wog sie in Sicherheit.
Ein kurzes Räuspern vernahm ich von Carlisle. Er bat um Aufmerksamkeit.
„Es tut mir leid, dass ich diesen Moment jetzt leider zerstören muss. Aber wir sind heute nur erschienen um euch zu besuchen, Edward und Alice“, er sah die beiden an.
„Wir haben einen Anruf von Frau Cross bekommen. Wie ihr bereits erfahren habt, wird das Heim Ende diesen Sommer geschlossen, wegen des schlechten Umgangs gegenüber den Kinder. Was meiner Meinung nach durchaus richtig ist. Trotz alldem, würde es bei euch zu Schwierigkeiten kommen. Edward du bist volljährig und könntest eigentlich schon alleine leben. Alice du dagegen nicht, du müsstest noch betreut werden. Deswegen bat uns Frau Cross, ob wir euch nicht als Pflegekinder aufnehmen könnten. Zumindestens solange, bis ihr beide Volljährig seid und ihr finanziell in Guter Lage seid“, erklärte er sachlich.
Die Angesprochenen standen nur geschockt da. Alice war die erste, die ein Wort heraus kam.
„Heißt das ihr adoptiert uns?!“, fragte sie schrill nach. Ihr traten Tränen in die Augen.
„Nein, adoptieren nicht. Das Verfahren würde zu lange dauern. Aber wir können für euch eure Pflegeeltern sein. Der Staat würde euch trotzdem finanziell unterstützen. Ihr müsst unser Angebot nicht annehmen. Nur wir wollen euch die Chance geben, nicht getrennt zu werden“, äußerte sich Esme.
„Und das ist kein böser Scherz den ihr euch erlaubt?“, fragte Edward nach. Der Unglauben war in seine Stimme geschrieben.
„Nein, ist es nicht Schätzchen“, mischte sich Frau Cross nun ein. Sie ging zu den Beiden rüber.
Mit einer sanften Bewegung strich sie durch Alice Haar.
„Ihr beide verdient auch mal ein bisschen Glück. Ich habe euch gesehen, wie glücklich ihr nach dem Ausflug wart. So glücklich habe ich euch die 10 Jahre, die ich hier schon arbeite, noch nie gesehen. Ich habe die Cullens kontaktiert, weil sie euch ein schönes Leben ermöglichen können, was ihr bis jetzt nicht hattet. Was wir in diesem Heim, euch einfach nicht bieten konnten. Es tut mir Leid, was alles passiert ist. Dass wir so vieles verkehrt gemacht haben, ihr alleine wart mit eurem Schmerz und euren Problemen. Deswegen hoffe ich, dass ich wenigstens jetzt helfen konnte, wenigstens einmal“, offenbarte Frau Cross und sah dabei zu mir herüber.
Ich stand immer noch wegen meines Kommentars gerade. Es war berechtigt gewesen. Jemand musste mal die Wahrheit sagen, auch wenn es eine nicht gerade schöne Wahrheit ist.
Alice schluchzte bitterlich in Edwards Armen. Er hielt sie einfach nur fest und stand starr da.
Jasper, der es nicht ertragen konnte, wie Alice weinte, ging zu ihr. Er legte eine Hand auf ihre Schulter. Sie stürmte in ihn rein und umarmte ihn fest.
Ich ging zu Edward und strich ihm über die Hand. Er erwachte dadurch aus seiner Starre auf und sah mich mit einem fragenden Blick an.
„Sag bitte ja, Edward“, flüsterte ich leise und strich ihm dabei über die Wange. Plötzlich spürte ich Edwards Arme um meinen Hals und seinen Kopf auf meiner Schulter.
„Ja, wir würden gerne bei euch wohnen…zu gerne“, nuschelte er an meiner Schulter. Es verstanden trotzdem alle. Kurz zog Edward noch mal die Luft ein. Er rang nach Fassung, dass wusste ich. Mit beruhigen Bewegungen strich ich ihm über seinen Rücken.
Er lächelte mich dankbar an. Es war eine stille Kommunikation.
„Gut, dann wäre das wichtigste geklärt. Jetzt lasst uns doch einen schönen Nachmittag verbringen. Wir sind ja nicht nur gekommen, um traurige Stimmung zu bereiten. Alles weitere können wir ja immer noch klären, meint ihr nicht? Wir haben Kaffee und Kuchen mitgebracht“, warf Esme mit einem mütterlichen Lächeln ein.
Gemeinsam deckten wir den Tisch und erlebten noch einen schönen, harmonischen Nachmittag. Wir erzählten viele Geschichten über das Michelangelo Internat.
Alice beteiligte sich aufgeregt an dem Gespräch. Edward dagegen hielt sich etwas zurück, trotzdem spürte ich, dass er gespannt zu hörte.
Ab und zu schweifte mein Blick zu ihm. Er bemerkte meinen Blick und grinste mich an. Blut rauschte mir in meine Wangen und ich spürte wie ich leicht rot wurde. Das brachte ihn natürlich nur noch mehr zum grinsen.
Gegen 17 Uhr verabschiedeten wir uns von ihnen. Dieses Mal lief der Abschied etwas gespannter. Wir wussten ja, dass wir uns bald wieder sehen.
Alice, die jetzt fröhlicher war, zerquetschte mich fast mit ihrem Klammergriff. Ich konnte nicht verstehen, wie eine zierliche Person so viel Kraft haben kann.
Mit Edward lief der Abschied ähnlich ab. Nur das er nicht so viel Kraft in die Umarmung legte. Ich
küsste ihn auf die Wange, was ihn erröten ließ.
„Bis dann Bella“, flüsterte er mir zu. Sein schiefes Lächeln zierte seine Lippen.
„Wir sehen uns Edward. Du wirst mich jetzt bald oft ertragen müssen. Um genau zu sein fast 345 Tage in Jahr“, betonte ich. Edward stöhnte gespielt auf und ich grinste ihn an.
Es war eine schöne Vorstellung Edward jeden Tag zu sehen. Wir verstanden uns beide prächtig, hatten dieselbe Ironie und denselben Sarkasmus. Emmett und Jasper verstanden es meistens nicht.
Außerdem zog mich Edward magisch an. Ich wusste nicht, wie ich dieses Gefühl einordnen soll. Es war nicht Liebe, es war eher Verbundenheit. Oder auch eine Mischung aus Liebe und Verbundenheit?
Es machte mir leicht Angst. Ich wollte mich nicht verlieben, schon gar nicht in Edward. Eine Liebe hätte keine Chance. Mein Leben war das Ballett. Das war meine Einzige Liebe, die ich lieben durfte.


Bei Bella stößt Edward endlich auf Verständnis, er findet was ihm all die Jahre verschmäht blieb. Magisch wie sie ihn zur Ruhe bringt, verblüffend wie sie sich doch verstehen. Das 3te Kapitel lässt mich hoffen und dem vierten Kapitel entgegen fiebern. Zugleich muss Bella sich zwischen Karriere im Balett und der Liebe zu Edward entscheiden?.. Welcher Neigung wird sie nachgeben? Ich habe das Gefühl, dass es zu dramatischen Handlungen kommen wird.. Zwar scheint alles ins Positive zu verlaufen und doch beschleicht mich ein ungutes Gefühl.. Bella arbeitet schließlich ihr ganzes Leben auf die Karriere hin, Edward hingegen bringt dieses Konzept ins wanken, genauso wie auch Bella Edwards Leben von Grund auf verändert. Hoffentlich bringt das nächste Kapitel ein wenig Aufklärung in diese neuen Probleme, denen sich die beiden nun stellen müssen.
AntwortenLöschenMach weiter so!
Liebe Grüße dein Yukio